Immobilien- und Mietrecht.
IBR 1/2025 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht versuchen Auftraggeber immer wieder, bestimmte Kosten der Baustelle durch die Vereinbarung von Umlagen auf die Auftragnehmer abzuwälzen. Böse Zungen behaupten, Umlagen dienten nicht der Kostenbeteiligung, sondern der Ergebnisverbesserung. Meiner Meinung nach gleicht diese Vorgehensweise eher einer Milchmädchenrechnung, weil die Auftragnehmer die von ihnen zu zahlenden Umlagen regelmäßig in ihre Preise einkalkulieren, so dass die Auftraggeber diese Kosten am Ende selbst zu tragen haben. In der Praxis finden sich derzeit vermehrt Klauseln, mit denen die Kosten für "klassische" Auftraggeberaufgaben – wie etwa die für die Bauleitung – auf die Auftragnehmer umgelegt werden (siehe z. B. LG Bochum, IBR 2021, 616, für SiGeKo-Kosten). Nach Ansicht des KG benachteiligt jedoch eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach dieser berechtigt ist, von der Netto-Schlussrechnungssumme eine Umlage für die Baustellenkoordination in Höhe von 1% in Abzug zu bringen, den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam ( S. 7).
Im Recht der Architekten und Ingenieure arbeitet das OLG Frankfurt die Unterschiede zwischen der HOAI-Bauüberwachung und der Bauleitung nach den Landesbauordnungen heraus. Während der Bauüberwacher eine Ausführung des Objekts gemäß der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Auftraggeber schuldet und dabei die HOAI-Grundleistungen der Leistungsphase 8 erbringen muss, nimmt der Bauleiter öffentliche Pflichten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wahr. Dabei hat der Bauleiter nach § 59 HBO darüber zu wachen, dass die Baumaßnahme den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entsprechend ausgeführt wird, er hat die hierfür erforderlichen Weisungen zu erteilen und im Rahmen dieser Aufgabe für den sicheren bautechnischen Betrieb der Baustelle, insbesondere das gefahrlose Ineinandergreifen aller Arbeiten, zu sorgen ( S. 27).
Hinzuweisen ist zudem auf eine weitere Entscheidung des OLG Frankfurt, die sich mit der Bauüberwachung als ständiger Haftungsfalle befasst. Der bauüberwachende Architekt hat dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entsteht. Er muss sich zwar nicht ständig auf der Baustelle aufhalten, darf sich aber – so das OLG Frankfurt – bei der Verlegung von 3.000 m² Teppichboden auch nicht darauf verlassen, dass der bauausführende Unternehmer die Verlegearbeiten entsprechend dem Leistungsverzeichnis erbringen wird. Er muss bei Arbeiten solchen Umfangs über die bloße Endkontrolle hinaus auch stichprobenhafte Prüfungen schon bei der vorbereitenden Grundierung vornehmen – was er pflichtwidrig unterlassen und damit die Mangelentstehung nicht verhindert hat ( S. 28).
Im Vergaberecht ist der Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.08.2024 hervorzuheben, der sich mit der Zulässigkeit der Gesamtvergabe befasst. Nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB dürfen mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Dabei muss die die Gesamtvergabe dem Auftraggeber einen Vorteil bringen. Nachteilige Folgen, z. B. für die Umwelt und die Volkswirtschaft, können allenfalls bei der Gewichtung des wirtschaftlichen Nachteils für den öffentlichen Auftraggeber berücksichtigt werden. Hierin ist kein wirtschaftlicher Nachteil des Auftraggebers selbst zu sehen ( S. 34).
In der Rubrik Allgemeines Zivilrecht finden Sie zwei Beiträge zum Urteil des OLG München vom 11.11.2024. Das Gericht hatte sich mit den Fragen zu befassen, ob mit einer WhatsApp-Nachricht ein vertraglich vereinbartes Schriftformerfordernis erfüllt wird und welche Bedeutung sog. Emojis haben. Die erste Frage hat es – entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt ( IBR 2024, 67) – bejaht ( S. 42). Bei der Beantwortung der zweiten Frage betont das OLG München, dass Emojis „normale“ Willenserklärungen sind, die nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre (§§ 133, 157 BGB) auszulegen sind, wozu erforderlichenfalls Emoji-Lexika herangezogen werden können ( S. 43).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
In eigener Sache: Herr Ltd. RD a. D. Rudolf Weyand, der viele Jahre lang als Mit-Herausgeber die publizistische Leitlinie der Rubrik Vergaberecht mitbestimmt hat, ist zum Ende des Jahres 2024 aus dem Herausgeber-Gremium ausgeschieden. Verlag und Redaktion danken Herrn Weyand vielmals für seine Verdienste für die Zeitschrift IBR Immobilien- und Baurecht sowie für die Datenbank ibr-online und heißen Herrn Jörg Wiedemann als neuen Mit-Herausgeber herzlich willkommen. Herr Wiedemann ist Richter am Oberlandesgericht und gehört dem Vergabesenat des OLG Naumburg an. Er tritt seit 2001 als Referent in Weiterbildungsveranstaltungen zum Vergaberecht auf, hat einschlägige Aufsätze in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht und wirkt an zwei Lehrbüchern zum Vergaberecht sowie an mehreren vergaberechtlichen Kommentaren als Autor mit. Zudem ist er – zusammen mit Ltd. RD Henning Bode und RAin und FAin für Vergaberecht Dr. Valeska Pfarr, M.L.E. – Mit-Herausgeber des im Aufbau befindlichen ibr-online-Kommentars Bau- und Planervergaben, der im Laufe dieses Jahres veröffentlicht wird. Verlag und Redaktion freuen sich auf die gemeinsame Zusammenarbeit.
Darüber hinaus hat mein Kollege, Herr Rechtsanwalt Thomas Ryll, zum 01.01.2025 die Schriftleitung der Zeitschrift IBR übernommen, wobei die Verantwortung für das Profil und den Charakter der IBR weiterhin von mir – als nunmehr geschäftsführendem Herausgeber – getragen wird.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Geschäftsführender Herausgeber der IBR