Immobilien- und Mietrecht.

IBR 3/2025 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht nach VOB/B ist der Auftragnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die sich für Nachforderungen aus § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung trotz Hinweises auf die Ausschlusswirkung) ergebenden Beschränkungen hinaus grundsätzlich nicht an die von ihm erteilte Schlussrechnung gebunden (BGH, Urteil vom 17.12.1987 – VII ZR 16/87, IBRRS 1987, 0614). Der Auftragnehmer kann also grundsätzlich noch Jahre nach der Schlussrechnungsstellung, -prüfung und -zahlung „vergessene“ Rechnungspositionen „nachschieben“. Das gilt jedenfalls dann, wenn die VOB/B nicht „als Ganzes“ vereinbart ist, weil die Regelungen in § 16 Abs. 3 Nr. 2 bis 5 VOB/B bei Verwendung der VOB/B durch den Auftraggeber einer isolierten AGB-Inhaltskontrolle nicht standhalten und unwirksam sind (BGH, IBR 1998, 235). Gleichwohl darf der Auftragnehmer mit der Geltendmachung seiner Nachforderung nicht zu lange warten. Denn auch nicht abgerechnete Rechnungspositionen werden mit der Schlussrechnungsforderung fällig und verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (siehe KG,
IBR 2024, 165).
Das LG Karlsruhe hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Auftragnehmer, der eine Schlussrechnung gestellt hat, jedenfalls im sog. B2B-Bereich spätestens sechs Monate nach Leistungserbringung keine „vergessenen“ Leistungspositionen mehr abrechnen kann, wenn der Auftraggeber keine Einwände gegen die gestellte Schlussrechnung erhoben und die Schlussrechnungsforderung vollständig beglichen hat. Denn einem gewerblichen Auftraggeber ist das Umsatzsteuergesetz bekannt, so dass er erwarten kann, dass sämtliche Arbeiten binnen sechs Monaten abgerechnet werden ( S. 115).
Im Recht der Bausicherheiten ist das Urteil des OLG Oldenburg vom 24.01.2025 hervorzuheben. Es befasst sich mit der in der Praxis vielfach anzutreffenden Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach der Auftragnehmer die ihm zustehenden Gewährleistungsansprüche gegen seine Nachunternehmer und Lieferanten sicherheitshalber an den Auftraggeber abtreten muss. Hat der Auftragnehmer darüber hinaus eine Vertragserfüllungssicherheit von 10% und eine Gewährleistungssicherheit von 5% der Bruttoauftragssumme zu stellen, führt dies nach Ansicht des OLG Oldenburg zu einer Übersicherung des Auftraggebers mit der Folge, dass die von ihm gestellte Sicherungsabrede unwirksam ist ( S. 122). Das OLG Frankfurt sieht das übrigens anders (
IBR 2024, 14), weshalb gegen die Entscheidung aus Niedersachsen beim Bundesgerichtshof Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde (Az. VII ZR 26/25).
Im Recht der Architekten und Ingenieure gewinnen Pauschalhonorarvereinbarungen zunehmend an Bedeutung. Die Folgen einer Pauschalhonorarabrede werden aber gerade auf Seiten der Planer häufig unterschätzt. Insbesondere führt eine Erhöhung der (anrechenbaren) Kosten gegenüber den in einem Vergabeverfahren zu Kalkulationszwecken angegebenen Kosten nicht „automatisch“ zu einer Erhöhung der vereinbarten Honorarpauschale. Eine zur Honoraranpassung berechtigende Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kommt ebenfalls nur in engen Grenzen in Betracht, wenn Mehrleistungen ein unzumutbares Missverhältnis von Gesamtleistung und Pauschalhonorar zur Folge haben. Das hat das OLG Köln klargestellt ( S. 128). Zugleich hat es Architekten und Ingenieuren ins Stammbuch geschrieben, dass es eines dezidierten Änderungs- und Nachtragsmanagements bedarf, um die Anforderungen an eine schlüssige Darlegung etwaiger Mehrvergütungsansprüche zu erfüllen (
S. 129).
Apropos Honorar: Daran, dass vom Preisrecht der HOAI nicht ohne Weiteres auf den Leistungsumfang geschlossen werden kann, erinnert das OLG Rostock. Denn Umfang und Inhalt der geschuldeten Leistung sind durch Auslegung des individuellen Vertrags nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts zu ermitteln – und nicht nach der HOAI ( S. 130).
Im Vergaberecht ist schließlich auf die Entscheidung des OLG Naumburg vom 01.11.2024 besonders hinzuweisen. Das Gericht betont, dass weder das allgemeine Zivilrecht noch das Vergaberecht eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers vorsehen, ein von ihm eingeleitetes Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abzuschließen. Auch der fiskalisch handelnde öffentliche Auftraggeber kann sich auf die zivilrechtliche Privatautonomie berufen. Bei der Entscheidung über eine Aufhebung der Ausschreibung – sei es vollständig oder teilweise, sei es in Form einer zeitlichen Zurückversetzung in ein früheres Stadium des Verfahrens oder in Form eines endgültigen Verzichts – sind jedoch die in § 97 GWB normierten Grundsätze des Vergabeverfahrens zu beachten, d.h. insbesondere der Wettbewerbsgrundsatz, der Gleichbehandlungsgrundsatz (Abs. 2) sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem ist ein öffentlicher Auftraggeber bei der Entscheidung über die Beendigung des Vergabeverfahrens ohne Zuschlag stets verpflichtet, das Für und Wider einer Fortsetzung bzw. einer Beendigung des Verfahrens sorgsam gegeneinander abzuwägen, und insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen. Aus der fortlaufenden Vergabedokumentation muss eine sachgemäße Entscheidungsfindung plausibel und substanziell nachvollziehbar hervorgehen und durch sie müssen Willkür und Manipulationsgefahr ausgeschlossen sein ( S. 134).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Geschäftsführender Herausgeber der IBR