Immobilien- und Mietrecht.
Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 5. Juni
IMRRS 2024, 0736LG Berlin II, Beschluss vom 01.02.2024 - 66 S 103/23
1. Bei der Überprüfung der Anforderungen für eine beigefügte Vollmachtsurkunde sind strenge Maßstäbe geboten, weil § 174 BGB dem Interesse des Erklärungsempfängers dient, auf der Grundlage der ihm vorliegenden Originalurkunden zweifelsfrei beurteilen zu können, ob bei dem fraglichen Rechtsgeschäft ein wirksames Vertreterhandeln vorliegt oder nicht.
2. Eine geeignete Vollmachtsurkunde muss den Bevollmächtigten, die Erteilung der Vollmacht und deren Umfang deutlich niederlegen.
3. Eine Vollmacht kann zurückgewiesen werden, wenn sie auf einem Anwaltsformular erstellt ist, ein konkretes Streitverhältnis nicht angegeben ist oder auch nur ein vage für den Empfänger ersichtlicher Hinweis darauf fehlt, dass der Rechtsanwalt in dem streitgegenständlichen Mietverhältnis gegenüber dem Mieter tätig werden soll.
VolltextIMRRS 2024, 0720
LG Hamburg, Urteil vom 22.11.2023 - 316 O 4/22
1. Zwar obliegt dem Vertragspartner des Verwenders die Beweislast für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieser wird er jedoch regelmäßig schon durch Hinweis auf die äußere Form der vorformulierten Vertragsbedingungen als Indiz für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerecht.
2. Von einem Aushandeln der einzelnen Klauseln kann nur dann gesprochen werden, wenn sich der Verwender deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklärt; die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen.
3. Nachträgliche Veränderungen des vorformulierten Textes können grundsätzlich nur ein Indiz dafür sein, dass der Vertrag insoweit im Einzelnen ausgehandelt wurde.
4. (Preis-)Nebenabreden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann, unterliegen der AGB-Kontrolle.
5. Mietanpassungsklauseln können grundsätzlich im Wege Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Eine Preisanpassungsklausel hält der Inhaltskontrolle jedoch nicht stand, wenn sie dem Vermieter die Möglichkeit bietet, seinen Gewinn einseitig zu Lasten des Mieters zu vergrößern.
6. Eine Preisanpassungsklausel, die nur eine Richtung kennt - nämlich zu Gunsten des Verwenders nach oben -, ist unwirksam.
VolltextIMRRS 2024, 0742
BGH, Urteil vom 21.03.2024 - IX ZR 12/22
1. Ordnet das Insolvenzgericht gegenüber einem mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestatteten vorläufigen Verwalter an, er solle ein Unternehmen in Abstimmung mit dem Schuldner fortführen, folgt daraus ohne ergänzende gerichtliche Anordnung keine Befugnis des Verwalters, Verfügungen anstelle des Schuldners mit Wirkung für und gegen die spätere Insolvenzmasse vorzunehmen.*)
2. Eine Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Schuldner seinen Geschäftsbetrieb bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung noch nicht eingestellt hatte.*)
3. Solange im Eröffnungsverfahren unklar ist, ob ein noch laufender Geschäftsbetrieb vorliegt, entsprechen Maßnahmen des vorläufigen Verwalters in Ausübung einer (vermeintlichen) Pflicht zur Betriebsfortführung nicht der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Verwalters, wenn sie Aufschub dulden.*)
VolltextIMRRS 2024, 0743
BGH, Beschluss vom 18.04.2024 - I ZB 55/23
Ist allein das Organ einer juristischen Person Titelschuldner, sind Ordnungsmittel im Falle einer schuldhaften Zuwiderhandlung des Organs gegen den Vollstreckungstitel (allein) gegen das Organ festzusetzen.*)
VolltextIMRRS 2024, 0740
BGH, Beschluss vom 16.04.2024 - II ZR 70/23
Dem Berufungsgericht ist es verwehrt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und dadurch eine Klageänderung für wirkungslos zu erachten, wenn das Erstgericht die erstinstanzliche Antragstellung durch einen Hinweis auf seine im Urteil aufgegebene Rechtsauffassung veranlasst hatte.*)
VolltextIMRRS 2024, 0749
BAG, Urteil vom 22.02.2024 - 6 AZR 125/23
1. Das Erfordernis der Widerspruchsfreiheit betrifft nicht von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsfragen und steht deshalb der Zulässigkeit von Teilurteilen nicht entgegen.*)
2. Bei von Amts wegen vorzunehmenden Zustellungen ist allein das Gericht „Zustellender“ i.S.d. § 172 Abs. 1 ZPO.*)
VolltextOnline seit 4. Juni
IMRRS 2024, 0722VGH Bayern, Beschluss vom 30.01.2024 - 2 ZB 22.2512
1. Eine ausdrückliche schriftliche Zustimmung Art. 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayBO beinhaltet regelmäßig nicht zugleich einen (konkludenten) Verzicht des Zustimmenden auf seine subjektiv öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte. Angesichts der weitreichenden Rechtsfolgen eines Rechtsverzichts sind an die Feststellung des erforderlichen Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen.
2. Der planungsrechtliche Begriff der gesicherten Erschließung in den §§ 30 bis 35 BauGB setzt eine auf Dauer zur Verfügung stehende, rechtlich gesicherte wegemäßige Erschließung des Baugrundstücks voraus. Grenzt ein Grundstück nicht an eine öffentliche Straße, ist hierfür grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Baulast oder eine dinglich-privatrechtliche Absicherung, etwa durch eine Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB, zu fordern. Eine rein schuldrechtliche Vereinbarung reicht mangels Dauerhaftigkeit der Sicherung nicht aus; das Gleiche gilt für ein Notwegerecht nach § 917 BGB.
3. Nicht gewidmete, tatsächliche öffentliche Verkehrsflächen, also private Grundstücksflächen, auf denen vor dem Inkrafttreten des BayStrWG am 1. September 1958 der Eigentümer ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln den Verkehr eröffnete oder duldete, stellen daher keine öffentlichen Verkehrsflächen dar.
4. Die Zulässigkeit des von einem erstinstanzlich Beigeladenen erhobenen Rechtsmittels erfordert, dass dieser materiell durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beschwert ist. Eine solche materielle Beschwer liegt vor, wenn die mit seiner Stellung als Beteiligter einhergehende Bindung an ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 121 Nr. 1 i.V.m. § 63 Nr. 3 VwGO für ihn von sachlicher Bedeutung ist, der Beigeladene somit geltend machen kann, aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils möglicherweise präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten bzw. rechtlich geschützten Interessen im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO beeinträchtigt zu werden.
VolltextIMRRS 2024, 0652
AG Köpenick, Urteil vom 29.04.2024 - 5 C 126/23
1. Eine Erhöhung über den Mittelwert ist zulässig, wenn den Wohnwert erhöhende Merkmale vorliegen, wobei für jede im Berliner Mietspiegel aufgeführte Merkmalgruppe mit überwiegend positiven Merkmalen 20 Prozent der Differenz zum Spannenwert hinzugerechnet, für jede mit überwiegend negativen Merkmalen 20 Prozent abgezogen werden.
2. Entscheidend ist der Zustand der Wohnung zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens.
VolltextIMRRS 2024, 0737
LG Bremen, Beschluss vom 08.02.2024 - 8 T 322/23
Jede Eigentümer hat einen Individualanspruch auf Erstellung einer Jahresabrechnung, der sich allein gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft richtet, nicht aber gegen den Verwalter.
VolltextIMRRS 2024, 0732
AG Solingen, Beschluss vom 12.04.2024 - 37 F 20/24
1. Wird ein Bewohner vom Nachbarn geschlagen und bedroht, weil er ständig die Fenster im Treppenhaus zum Lüften öffnet, kann der Bewohner per einstweiliger Verfügung eine Abstandsverfügung erwirken.
2. Der Umstand, dass der Bewohner durch sein eigenes Verhalten - nämlich das andauernde Lüften - den Hausfrieden erheblich stört und zur Eskalation der Situation maßgeblich beigetragen hat, lässt die Widerrechtlichkeit des Verhaltens des Nachbarn nicht entfallen.
VolltextIMRRS 2024, 0739
BFH, Beschluss vom 17.04.2024 - X B 68/23
1. Wenn ein Verfahrensbeteiligter oder Prozessbevollmächtigter sich auf der Anreise zum Gerichtstermin solchen Verzögerungen ausgesetzt sieht, gegen die auch die vernünftigerweise zu beachtende Sorgfalt keine Vorsorge gebietet, ist das Gericht auf eine telefonische Benachrichtigung hin, dass man sich verspäten werde, regelmäßig verpflichtet, mit der Eröffnung des Termins zu warten.*)
2. Unterläuft der Geschäftsstelle des Gerichts bei der Weiterleitung einer telefonischen Benachrichtigung über eine solche Verzögerung ein Fehler, ist dieser dem Gericht zuzurechnen.*)
VolltextIMRRS 2024, 0733
KG, Beschluss vom 06.03.2024 - 10 W 28/24
1. Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründet ihren Anspruch auf Vorschuss gegen einen Wohnungseigentümer erfahrungsgemäß, wenn auch nicht zwingend, jährlich neu.
2. Eine Fortgeltungsklausel, die im Einzelfall zu einer längeren Zeitdauer führt, ändert an diesem bundesweiten Erfahrungssatz nichts.
3. Der Gebührenstreitwert bei einer Klage auf künftiges Hausgeld ist deshalb gem. § 3 ZPO (und nicht nach § 9 ZPO) zu ermitteln.
VolltextOnline seit 3. Juni
IMRRS 2024, 0730EuGH, Urteil vom 30.05.2024 - Rs. C-400/22
1. Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2011/83/EU ist dahin auszulegen, dass im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.*)
2. Wenn der Unternehmer seine Informationspflicht nicht beachtet hat, ist der Verbraucher an die Bestellung nicht gebunden. Den Verbraucher hindert allerdings nichts daran, seine Bestellung zu bestätigen.
VolltextIMRRS 2024, 0731
LG München I, Urteil vom 13.12.2023 - 29 O 1152/23
1. Auf die zeitlich begrenzte Überlassung von Standardsoftware und Einräumung von Nutzungsrechten kann Mietvertragsrecht anzuwenden sein, wenn die vereinbarte Pflege der Software von untergeordneter Bedeutung ist.
2. Ein Mangel einer Virenschutzsoftware i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht vor, wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine Warnung in Bezug auf die Nutzung dieser Software ausgesprochen hat, weil die Software für Spionageaktivitäten missbraucht werden könnte.
3. Wird die Nutzung einer gemieteten Software durch den Mieter aufgrund von öffentlich-rechtlichen Sanktionen (hier gegen Russland) erschwert, stellt dies keinen Mangel der Mietsache dar.
4. Ist die Nutzung einer mietvertraglich überlassenen Software aufgrund von Sanktionen rechtlich nicht mehr zulässig, kann dies zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und zur Verpflichtung zu einer teilweisen Rückzahlung gezahlter Miete führen.
VolltextIMRRS 2023, 1617
VerfGH Bayern, Entscheidung vom 26.10.2023 - Vf. 6-VII-22
1. Zur aufgrund der Autonomie des Parlaments eingeschränkten verfassungsrechtlichen Überprüfung des einem Gesetzesbeschluss vorausgehenden parlamentarischen Beratungsverfahrens.*)
2. Die Regelung zum Einsatz und Betrieb von Rauchwarnmeldern in Wohnungen gem. Art. 46 Abs. 4 BayBO ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Sie verletzt insbesondere weder das Eigentumsgrundrecht (Art. 103 BV) noch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 106 Abs. 3 BV) und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV).*)
VolltextIMRRS 2024, 0728
BGH, Beschluss vom 23.01.2024 - VI ZB 88/21
Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht.*)
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