Immobilien- und Mietrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Prozessrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei imr-online eingestellt
Online seit gestern
IMRRS 2024, 1361OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.08.2024 - 2 Ws 112/23
Die Schlussrechnung des gerichtlichen Sachverständigen muss prüfbar sein, andernfalls kann ihre Berechtigung nicht festgestellt werden kann. Fehlt die Prüfbarkeit, entfällt schon deshalb der endgültige Bezahlanspruch.
VolltextOnline seit 11. November
IMRRS 2024, 1379BGH, Urteil vom 17.10.2024 - IX ZR 244/22
Zahlt der Mieter nach wirksamer Kündigung des Mietvertrags für die Dauer der Vorenthaltung der Mietsache die vereinbarte Miete, kommt die Annahme eines Bargeschäfts in Betracht.*)
VolltextIMRRS 2024, 1380
BGH, Urteil vom 10.10.2024 - VII ZR 240/23
Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen (Anschluss an BGH, IMR 2023, 426 = NJW 2023, 2945). Zu solchen Verzögerungen gehören auch Versäumnisse, die bei der Ausführung der Zustellung von dem Zustellorgan verursacht worden sind.*)
VolltextOnline seit 6. November
IMRRS 2024, 1352OLG Köln, Urteil vom 27.08.2024 - 4 U 54/23
1. Verpflichtet sich eine Partei wirksam zur Klagerücknahme, kommt sie aber der Verpflichtung nicht nach, kann ihr dies vom Prozessgegner mit der Folge entgegengehalten werden, dass die Fortsetzung des Prozesses unzulässig wird.
2. Ein Dritter (hier: Vertragsgegner) kann sich auf die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht dann nicht berufen, wenn der Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat und dies dem Dritten schuldhafterweise nicht bekannt geworden ist.
3. Eine Quittung erbringt einen vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltene Erklärung von dem Unterzeichner abgegeben worden ist, nicht aber für den Inhalt der Erklärung, also die Erfüllung der Verbindlichkeit; insoweit unterliegt sie der freien richterlichen Beweiswürdigung. Sie enthält ein außergerichtliches Geständnis hinsichtlich des Leistungsempfangs, ein Zeugnis des Gläubigers "gegen sich selbst", und dementsprechend in der Regel auch ein Indiz für die Leistung (Erfüllung) des Schuldners.
4. Dieser eingeschränkte "Beweiswert" einer Quittung kann jedoch dadurch entkräftet werden, dass die Überzeugung des Gerichts vom Empfang der Leistung erschüttert wird; ein voller "Gegenbeweis" im Sinne des Nachweises der inhaltlichen Unwahrheit der Quittung ist nicht nötig, wobei es tragfähiger Anhaltspunkte bedarf, die den Verdacht der inhaltlichen Unrichtigkeit der Quittung ernstlich nahelegen.
5. Die Nichterteilung einer den Anforderungen des § 14 Abs. 1 UStG entsprechenden Rechnung begründet ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, das lediglich ex nunc wirkt und die Verzugswirkungen nicht rückwirkend entfallen lässt. Vielmehr kann dieses einen Verzugseintritt nur verhindern, wenn es vor oder bei Fälligkeit der Forderung ausgeübt wird.
VolltextOnline seit 5. November
IMRRS 2024, 1349OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.10.2024 - 6 W 54/24
1. Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Es muss ein Grund vorliegen, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
2. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Schon der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit rechtfertigt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.
3. Die einseitige Kommunikation des Sachverständigen mit einer Prozesspartei über seine gutachterliche Beurteilung in Bezug auf eine vom bisherigen Ergebnis abweichende fachliche Bewertung begründet für die von der Kommunikation ausgeschlossene andere Prozesspartei objektiv Anlass für die Annahme, dass die Unparteilichkeit des Sachverständigen beeinträchtigt ist.
VolltextOnline seit 4. November
IMRRS 2024, 1344OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2024 - 9 WF 208/24
1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
2. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich. Es genügt bereits der böse Schein, d. h. der Eindruck mangelnder Objektivität.
3. Keine tauglichen Ablehnungsgründe sind in aller Regel die Art und Weise der materiellen Verfahrensleitung, bloße Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, soweit die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
4. Die Führung der Akten kann schon für sich betrachtet nicht den Anschein einer Befangenheit rechtfertigen, ebenso wenig wie die sonstige Verfahrensführung, selbst wenn darin im Einzelfall Verstöße gegen die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens resultieren würden.
5. Ein Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen. Es ist nicht mehr unverzüglich, nämlich nicht mehr "ohne schuldhafte Verzögerung", wenn der Beteiligte nach Ablauf einer ihm zuzubilligenden Überlegungsfrist mit dem Gesuch zuwartet, obwohl bei verspäteter Antragstellung eine unnötige Verfahrensverzögerung für ihn erkennbar und vermeidbar war.
6. Die Dauer der zuzubilligenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie kann sich bei komplexeren Sachlagen durchaus auf mehrere Tage erstrecken, wobei üblicherweise ein Zeitraum von ein bis zwei Tagen zuzubilligen ist.
VolltextOnline seit 31. Oktober
IMRRS 2024, 1338OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2024 - 6 U 149/19
Die gem. § 411a ZPO grundsätzlich zulässige Verwertung eines Sachverständigengutachtens, das bereits von einem anderen Gericht eingeholt worden sind, setzt neben der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Parteien einen Beweisbeschluss voraus.
VolltextOnline seit 29. Oktober
IMRRS 2024, 1321BGH, Beschluss vom 26.09.2024 - I ZR 161/23
Kann der Auftragnehmer die von ihm erbrachten Leistung nicht durch ein Aufmaß ermitteln, genügt er seiner Verpflichtung zur prüfbaren Abrechnung, wenn er alle ihm zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse auf den Stand der erbrachten Leistung ermöglichen (vgl. BGH, IBR 2004, 488).
VolltextIMRRS 2024, 1324
OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.10.2024 - 10 W 26/24
1. Eine Änderung des festgesetzten Streitwerts ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.
2. Ein selbständiges Beweisverfahren ist ungeachtet des Inhalts und der Qualität des Gutachtens jedenfalls dann beendet, wenn der Gutachter sich zu den gestellten Beweisfragen geäußert hat und innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der mündlichen Anhörung keine Anträge einer Partei zur Ergänzung des Gutachtens gestellt werden (BGH, IBR 2009, 363).
3. Bei der Beweiserhebung im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens handelt es sich um einen vorgezogenen Hauptsachebeweis, so dass grundsätzlich der (beabsichtigte) Hauptsachewert maßgebend ist.
VolltextOnline seit 28. Oktober
IMRRS 2024, 1320BGH, Beschluss vom 14.08.2024 - XII ZB 386/23
Beschwerdeanträge genügen den gesetzlichen Anforderungen, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 08.02.2023 - XII ZB 351/21, IBRRS 2023, 0981).*)
VolltextOnline seit 25. Oktober
IMRRS 2024, 1311LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2024 - 26 Ta (Kost) 6048/24
1. § 98 ZPO unterscheidet zwischen den Kosten des Vergleichs einerseits und den Kosten des Rechtsstreits andererseits. Die Kosten "des Rechtsstreits" umfassen nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers weder die Kosten eines gerichtlichen noch die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs.*)
2. Den Parteien ist es nach § 98 Satz 1 ZPO aber unbenommen, etwas anderes zu vereinbaren und die Vergleichskosten in die Kosten des Rechtsstreits einzubeziehen. In einer solchen abweichenden Kostenregelung müssen die Vergleichskosten auch nicht notwendig besonders angesprochen werden.*)
3. Es müssen aber hinreichende Anhaltspunkte gegeben sein, dass die Parteien die Kosten des Vergleichs als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollen. Das kann bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs - anders als bei denen eines außergerichtlichen Vergleichs - regelmäßig angenommen werden, weil der Vergleich zu dem eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werden (vgl. BGH 25.09.2008 - V ZB 66/08, IBRRS 2008, 3111 = IMRRS 2008, 1795; Stein/Jonas/Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 98 Rn. 9 m.w.N.).*)
4. Nach allgemeiner Ansicht umfasst eine Regelung in einem gerichtlichen Vergleich über die "Kosten des Rechtsstreits" daher auch die Kosten eines Vergleichs (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2009 - 9 WF 9/09, IBRRS 2009, 5011 = IMRRS 2009, 2287). Es ist den Parteien unbenommen, dies im Vergleich zudem ausdrücklich klarzustellen.*)
VolltextOnline seit 23. Oktober
IMRRS 2024, 1293LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.08.2024 - L 10 KO 2110/24
1. Der beauftragte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags, zivilrechtliche Regelungen über Leistungsstörungen oder Mängelhaftung sind nicht anwendbar. Seine Vergütung bezieht sich auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts, weshalb sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens kein Maßstab für die Vergütung der Tätigkeit des Sachverständigen sind.*)
2. Der Vergütungsanspruch ist aber nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG zu versagen, wenn das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und das Gutachten daher im Prozess auch tatsächlich unberücksichtigt bleibt. Die Unverwertbarkeit kann sich auch aus einem zu langen zeitlichen Abstand zwischen Untersuchung und Abfassung des Gutachtens ergeben.*)
VolltextIMRRS 2024, 1297
LG Berlin II, Beschluss vom 11.06.2024 - 56 T 13/24 WEG
Wird die Zahlung künftig fälliger Wohngeldvorschüsse beantragt, bis wirksam über neue Vorschüsse beschlossen wurde, so bemisst sich der Gebührenwert für diesen Antrag nicht mit dem 3,5-fachen Jahresbetrag, wenn der Wirtschaftsplan typischerweise jährlich angepasst wird. In diesem Fall begegnet die Festsetzung des Gebührenwertes mit dem Jahresbetrag des geforderten monatlichen Vorschusses keinen Bedenken.*)
VolltextOnline seit 21. Oktober
IMRRS 2024, 1235LG Freiburg, Beschluss vom 15.12.2023 - 9 S 32/23
Ein Antrag nach § 712 ZPO kann in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt werden. Ein erstinstanzlicher allgemeiner - hilfsweiser - Antrag auf "die Gewährung von Vollstreckungsschutz" stellt keine ausreichende Antragstellung gem. § 712 ZPO dar. Die Zwangsvollstreckung kann im Berufungsverfahren nach §§ 719, 707 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts eingestellt werden, wenn das Berufungsgericht die Berufung nach summarischer Prüfung nicht von vorneherein als aussichtslos erachtet.
VolltextIMRRS 2024, 1288
BGH, Beschluss vom 26.09.2024 - III ZB 82/23
Auch bei einer elektronischen Kalenderführung bedarf es einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können (Fortführung von Senat, Beschluss vom 28.02.2019 - III ZB 96/18, IBRRS 2019, 0933 = NJW 2019, 1456; BGH, Beschluss vom 02.02.2021 - X ZB 2/20, IBRRS 2021, 0774 = NJW-RR 2021, 444).*)
VolltextIMRRS 2024, 1284
OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.10.2024 - 8 U 2323/23
1. Zur Verwertung eines schriftlichen Gutachtens und des Ergebnisses einer mündlichen Sachverständigenanhörung nach erfolgtem Richterwechsel.*)
2. Es ist verfahrensrechtlich unbedenklich, einem mündlich angehörten Sachverständigen zum Zwecke der vorläufigen Protokollaufzeichnung vorübergehend das Diktiergerät zu übergeben, wenn gewährleistet ist, dass Unstimmigkeiten oder Missverständnisse über Wortlaut und Inhalt der Aufzeichnung unmittelbar geklärt werden können (Abgrenzung von OLG Hamm, IBR 2024, 387).*)
VolltextOnline seit 18. Oktober
IMRRS 2024, 1280OLG Hamm, Beschluss vom 07.10.2024 - 12 W 21/24
1. Eine Präklusionswirkung kann der Ablauf einer richterlichen Frist zum Vorbringen von Einwendungen gegen ein Gutachten im selbständigen Beweisverfahren und der die Begutachtung betreffenden Anträge nur dann auslösen, wenn bei den Parteien keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können.
2. Gibt das Gericht den Parteien in einer Verfügung lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zum gleichzeitg übersandten Gutachten, ist ein nach Fristablauf eingehendes Vorbringen nicht präkludiert.
VolltextOnline seit 17. Oktober
IMRRS 2024, 1251LG Berlin II, Beschluss vom 25.06.2024 - 67 S 103/24
Die Gerichte sind befugt, den Vermieter als Partei auch ohne Beweisnot über den von ihm behaupteten - und von dem Wohnraumieter bestrittenen - Eigenbedarf anzuhören sowie von der Vernehmung weiterer beweislich benannter Zeugen abzusehen, sofern sie vom Vorliegen des Eigenbedarfs schon aufgrund der Parteianhörung des Vermieters überzeugt sind.*)
VolltextOnline seit 16. Oktober
IMRRS 2024, 1266BVerwG, Beschluss vom 16.09.2024 - 6 B 6.24
Die Unterzeichnung eines Schriftsatzes als prozessrechtlich allein dem Prozessbevollmächtigten vorbehaltene Handlung bietet Anlass zur Kontrolle eines vom Kanzleipersonal hergestellten Dokuments und löst für den Rechtsanwalt eine entsprechende Verpflichtung aus: Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben.*)
Volltext