Immobilien- und Mietrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16160 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2023
IMRRS 2023, 1242
OLG Nürnberg, Beschluss vom 01.08.2023 - 12 U 1269/20
1. Eine Gegenvorstellung ist unzulässig, wenn das Gericht nach § 318 ZPO an seine Entscheidung gebunden ist (Anschluss BGH, Beschluss vom 22.02.2007 - IX ZA 41/06, IBRRS 2008, 3881).
2. Das Berufungsgericht ist in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO an die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisende Beschlüsse gebunden.
3. Im Fall der Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO kann mit der Gegenvorstellung auch nicht die nachträgliche Zulassung der Revision erreicht werden.
4. Eine Umdeutung einer unzulässigen Gegenvorstellung in eine Anhörungsrüge kommt nicht in Betracht, wenn keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird.

IMRRS 2023, 1243

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.04.2023 - 22 B 336/23
1. Das im einstweiligen Rechtsschutz verfolgte Begehren der Standortgemeinde, der Genehmigungsbehörde bis zu einer Entscheidung über ihre Klage, mit der sie eine erneute Entscheidung über ihren von der Genehmigungsbehörde abgelehnten Zurückstellungsantrag nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB erstrebt, zu untersagen, dem Vorhabenträger den von ihm beantragten Vorbescheid zu erteilen, ist der Sache nach auf eine (mindestens teilweise) Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet.*)
2. In einer solchen Konstellation droht der Standortgemeinde regelmäßig jedenfalls kein für die Annahme eines Anordnungsgrundes dann erforderlicher unwiederbringlicher Rechtsverlust, weil sie im nachgelagerten Klageverfahren gegen den Vorbescheid/die Genehmigung die Verletzung ihrer gemeindlichen Planungshoheit mit der Erwägung geltend machen kann, der Vorbescheid/die Genehmigung sei unter Verletzung ihres Zurückstellungsanspruchs nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB erteilt worden und verletze sie deshalb in ihrer gemeindlichen Planungshoheit.*)

IMRRS 2023, 1226

OLG Celle, Beschluss vom 21.08.2023 - 2 W 107/23
1. Zur Klarstellung in Bezug auf die Entscheidung des Senats vom 19.01.2017 - 2 W 12/17 (IBRRS 2017, 1250 = IMRRS 2017, 0505) - macht der Senat deutlich, dass er materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren - auch bei der Frage der Nichtigkeit eines Anwaltsvertrags - nur für berücksichtigungsfähig erachtet, wenn sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können.*)
2. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass die Frage, ob ein Anwaltsvertrag aus berufsrechtlichen Gründen nichtig sei, eine materiell-rechtliche Einwendung darstellt, die im Kostenfestsetzungsverfahren generell nicht zu prüfen ist.*)

IMRRS 2023, 1196

OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2022 - 7 U 78/22
Das Fehlen einer allgemeinen Anweisung an die Kanzleimitarbeiter, die Berufungsfrist erst dann als erledigt im Fristenkalender zu vermerken, wenn die gerichtliche Eingangsbestätigung abgerufen und überprüft wurde, stellt einen Fehler im Rahmen der Büroorganisation dar. Eine Frist darf nur dann gestrichen werden, wenn die Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu einem Nachrichtenversand vorliegt.

IMRRS 2023, 1163

VG Karlsruhe, Beschluss vom 13.07.2023 - 2 K 712/23
1. Nachbarn können nach § 42 Abs. 2 VwGO sowohl in ihrer Eigenschaft als Sondereigentümer als auch als Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum antragsbefugt sein.*)
2. Ein Nachbar hat nur dann Anspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung für ein Vorhaben, das sich - objektiv rechtlich - nicht einfügt im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, wenn das Vorhaben zugleich gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, er also dadurch einer billigerweise nicht mehr zumutbaren Beeinträchtigung ausgesetzt wird.*)
3. ...

IMRRS 2023, 1217

BGH, Beschluss vom 20.07.2023 - IX ZB 7/22
1. Begründet der Zeuge im Zwischenstreit das Recht zur Zeugnisverweigerung einerseits mit der Verwandt- oder Schwägerschaft zur Partei und andererseits mit der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung, handelt es sich um zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände.*)
2. Erklärt das erstinstanzliche Gericht die Zeugnisverweigerung nur aus einem der beiden Weigerungsgründe für rechtmäßig, fällt der andere Weigerungsgrund in der Beschwerdeinstanz nur an, wenn der Zeuge insoweit Beschwerde oder Anschlussbeschwerde einlegt.*)

IMRRS 2023, 1216

BVerwG, Urteil vom 06.12.2022 - 4 CN 4/21
1. Die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan kann nicht auf die Verletzung organschaftlicher Beteiligungsrechte im Normsetzungsverfahren gestützt werden.*)
2. Die Antragsberechtigung einer Behörde nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO knüpft bei einer Landesbehörde an die in § 61 Nr. 3 VwGO abschließend geregelte und ihr der Sache nach vorausliegende Beteiligungsfähigkeit an.*)

IMRRS 2023, 1189

LG Berlin, Urteil vom 30.08.2023 - 64 S 309/22
1. Eine allein durch das Kosteninteresse eines Inkassounternehmens oder seiner Prozessbevollmächtigten motivierte Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis rechtsmissbräuchlich erhoben und damit unzulässig. So kann es liegen, wenn ein mit der Durchsetzung von Ansprüchen aus den Vorschriften über "die Mietpreisbremse" befasstes Inkassounternehmen den Vermieter gem. §§ 398, 556g Abs. 3 BGB aus abgetretenem Recht des Mieters auf Auskunft über Ausnahmetatbestände nach § 556e Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Anspruch nimmt, obwohl der Vermieter sich wegen Verstoßes gegen § 556g Abs. 1a Satz 1 BGB auf solche ihn begünstigenden Ausnahmetatbestände, sollten sie vorliegen, ohnehin nicht berufen könnte (Anschluss an/Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 23.03.2022 - VIII ZR 133/20, IMRRS 2022, 0502).*)
2. Eine Klage ist gem. §§ 253 Abs. 1, 130a Abs. 3 ZPO formwirksam erhoben, wenn die in elektronischer Form eingereichte Klageschrift zwar nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. 4 ZPO an das Gericht übermittelt wird, aber mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Geschäftsführers der Prozessbevollmächtigten der Klägerin versehen ist. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn die gerichtliche Software für die Aktenpflege und Aktenverwaltung bloß auf eine mit übersandte einfache ".pdf"-Kopie der Klageschrift zugreift, weil es die signierte Datei nicht verarbeiten kann, diese sich aber mit einem für das Gericht verfügbaren Signaturprüfungsprogramm öffnen und erfolgreich daraufhin überprüfen lässt, dass sie das qualifiziert elektronisch signierte Original der von der Gerichtssoftware verarbeiteten ".pdf"-Kopie enthält (Anschluss LG Berlin, Urteil vom 14.02.2023 - 63 S 125/22 und LG Berlin, Urteil vom 20.06.2023 - 65 S 198/22, IMRRS 2023, 1182).*)
3. Das Interesse des Mieters an der Herabsetzung der vertraglich vereinbarten Miete auf das nach den Vorschriften über die "Mietpreisbremse" gem. §§ 556d ff. BGB höchstzulässige Maß ist entsprechend § 41 Abs. 5 GKG mit dem einfachen und nicht mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der streitigen Mietpreisüberhöhung zu bewerten. (Anschluss an KG, Beschluss vom 29.09.2022 - 12 W 26/22, IMRRS 2022, 1319 = GE 2022, 1258 ff. und LG Berlin, Urteil vom 26.04.2023 - 64 S 189/22, IMR 2023, 353 = GE 2023, 698 ff.; Entgegen BGH, Urteil vom 18.05.2022 - VIII ZR 382/21, IMRRS 2022, 0807, und BGH, Urteil vom 27.05.2020 - VIII ZR 45/19, Rz. 117, IMRRS 2020, 0676 = BGHZ 225, 352 ff.).*)

IMRRS 2023, 1204

VerfGH Berlin, Beschluss vom 23.08.2023 - VerfGH 42/22
1. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die fehlerhafte Handhabung der Vorschriften für die gerichtliche Zuständigkeit verletzt den verfassungsrechtlichen Anspruch der Parteien eines Prozesses auf den gesetzlichen Richter, wenn deren Auslegung oder Anwendung willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder das erkennende Gericht Bedeutung und Tragweite des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter grundlegend verkannt hat.
2. Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter wird verletzt, wenn in einer originären Einzelrichtersache in offensichtlich unhaltbarer Weise von einer Entscheidungszuständigkeit der Kammer in einer Besetzung mit drei Berufsrichtern ausgegangen wird.

IMRRS 2023, 1198

OLG Celle, Beschluss vom 29.08.2023 - 2 W 96/23
1. Die Einlegung einer unselbständigen Anschlussberufung begründet eine Kostenschuld i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG.*)
2. Wird die Berufung zurückgenommen und ist eine Zwangsvollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens erfolglos geblieben oder erscheint aussichtslos (§ 31 Abs. 2 Satz 1 GKG), kann der Anschlussberufungskläger als Zweitschuldner (vgl. § 31 Abs. 1 und 2 GKG) in Anspruch genommen werden.*)
3. Der Anschlussberufungskläger haftet in diesem Fall in Höhe einer nach dem Wert seiner Anschlussberufung berechneten und infolge der Berufungsrücknahme reduzierten Verfahrensgebühr.*)

IMRRS 2023, 1193

OLG Nürnberg, Urteil vom 30.12.2021 - 13 U 2008/21
Die gerichtliche Feststellung in einem Urteil, dass sämtliche weitere Schäden zu ersetzen sind, umfasst sämtliche nach der späteren Mangelbeseitigung tatsächlich angefallenen Kosten. Die (verjährungsrelevante) Wirkung dieser Feststellung ist nicht auf in den Entscheidungsgründen des Urteils exemplarisch genannte weitere Schadenspositionen (hier: Umsatzsteuer) beschränkt.*)

IMRRS 2023, 1191

OLG München, Urteil vom 28.06.2023 - 7 U 2709/22
Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist dann vielmehr Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die benannten Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen.

IMRRS 2023, 1181

LG München I, Beschluss vom 08.02.2023 - 14 T 1361/23
Eine Verlängerung der Räumungsfrist kommt nur in Betracht, wenn der Schuldner sich intensiv um eine Ersatzwohnung bemüht hat. Dabei beginnt die Handlungsfrist bei klarer Sach- und Rechtslage mit Erhalt der Kündigung, spätestens aber mit Stattgabe der Räumungsklage in erster Instanz oder einem Hinweis des Erstgerichts auf erhebliche Erfolgsaussichten der Räumungsklage.

IMRRS 2023, 1179

KG, Beschluss vom 11.07.2023 - 5 W 69/23
Ein auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtetes Verfahren ist, wenn vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht anhängig, Anwaltsprozess. Eine Beschwerde gegen einen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss unterliegt daher dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 ZPO.*)

IMRRS 2023, 1171

LG München I, Beschluss vom 12.09.2023 - 14 T 9699/23
Sehbehinderte dürfen nicht einfach darauf verwiesen werden, sich die Schriftsätze von ihrem Anwalt vorlesen zu lassen. Sie haben vielmehr das Recht, die Dokumente selbst und eigenständig zur Kenntnis zu nehmen, und zwar so oft wie gewünscht. Deshalb müssen die Betroffenen kostenlos Audiodateien erhalten.

IMRRS 2023, 0863

LG Lübeck, Urteil vom 26.06.2023 - 10 O 298/22
Eine Gemeinde, die die Beseitigung einer Eigentumsstörung begehrt, geht hierbei als Grundstückseigentümerin und nicht als Trägerin öffentlicher Gewalt vor. Als Grundstückseigentümerin kann sie - genauso wie Private - rechtswidrige Beeinträchtigungen ihres Eigentums abwehren.

IMRRS 2023, 1178

LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 04.05.2023 - 2 O 631/22
Der Ausschlusstatbestand des § 41 Nr. 8 ZPO umfasst auch die Güterichtertätigkeit gem. § 278 Abs. 5 ZPO, sofern das nachfolgende Verfahren mit dem Verfahren, in welchem der Richter als nicht entscheidungsbefugter Güterichter gewirkt hat, einen derart engen Sachzusammenhang aufweist, dass beide Rechtsstreite auf dasselbe entscheidungserhebliche Kerngeschehen zurückzuführen sind.*)

IMRRS 2023, 1175

BGH, Beschluss vom 08.08.2023 - VIII ZR 20/23
Die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ist nicht auf den Umfang beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen. Vielmehr können sich Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Bewertungen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben (Bestätigung von BGH, Urteile vom 09.03.2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 315 f. = IBRRS 2005, 1466 = IMRRS 2005, 0748; vom 29.06.2016 - VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 26 = IBRRS 2016, 2089 = IMRRS 2016, 1268; Senatsbeschluss vom 11.10.2016 - VIII ZR 300/15, WuM 2016, 743 Rn. 23 = IBRRS 2016, 2977 = IMRRS 2016, 1751).*)

IMRRS 2023, 1169

OLG Celle, Beschluss vom 07.03.2023 - 17 WF 32/23
1. Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt (BGH, IBR 2012, 429).
2. Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen.
3. Der Verlust des Ablehnungsrechts tritt nicht nur in dem anhängigen Rechtsstreit ein, in dem der Ablehnungsgrund nicht geltend gemacht wurde. Vielmehr ist die Partei auch gehindert, denselben Ablehnungsgrund in einem anderen Verfahren geltend zu machen, wenn zwischen beiden Verfahren ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht.

IMRRS 2023, 1117

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.07.2023 - 29 W 18/23
Haben die Parteien eines Bauvertrags im gleichen OLG-Bezirk ihren Geschäftssitz, führt die Vereinbarung eines Gerichtsstands an diesem Ort nicht allein zu einem ausschließlichen Gerichtsstand, wenn die Parteien ihren Sitz nicht am dortigen Landgerichtsbezirk, sondern an anderen Landgerichtsbezirken haben.

IMRRS 2023, 1130

OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.07.2023 - 2 LA 28/20
Die Verhandlungsunfähigkeit einer Partei ist grundsätzlich durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Wird dieses erst kurz vor dem Termin vorgelegt und mit einer Erkrankung begründet, muss der Verhinderungsgrund so konkret dargelegt sein, dass das Gericht ohne eigene Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob die Verhandlungsunfähigkeit tatsächlich vorliegt.

IMRRS 2023, 1151

OLG Schleswig, Urteil vom 06.09.2023 - 12 U 59/23
Eine (vorläufige) Vollstreckbarkeitserklärung gegen Sicherheitsleistung ist nicht erforderlich, weil Gegenstand der verurteilten Leistung lediglich die Verpflichtung zu einer Sicherheitsleistung ist. Diese Verpflichtung zur Sicherheitsleistung ist nicht von einer - weiteren - Sicherheitsleistung abhängig zu machen (ebenso KG, IBR 2018, 668).*)

IMRRS 2023, 1150

OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.09.2023 - 26 W 11/23
Eine Partei wird durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert.*)

IMRRS 2023, 1147

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 07.09.2023 - 2-13 S 130/22
1. Die Klage auf Feststellung, dass an einer Fläche ein Sondernutzungsrecht besteht, ist gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten, wenn diese die Fläche – hier durch Errichtung eines Weges – als Gemeinschaftseigentum nutzt.*)
2. Ändert der Kläger seine in erster Instanz gegen die übrigen Eigentümer erhobene Feststellungsklage in der Berufungsinstanz, ist die Verweigerung der Zustimmung der Beklagten rechtsmissbräuchlich. Ob die Parteiänderung dabei voraussetzt, dass sie erst nach Einlegung und Begründung einer zulässigen Berufung (vgl. BGH, NJW 2001, 226) gegen die in erster Instanz verklagten übrigen Eigentümer erfolgt, ist zweifelhaft, hier aber nicht entscheidungserheblich.*)

IMRRS 2023, 1146

BGH, Beschluss vom 12.07.2023 - I ZR 17/22
1. Im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen hinsichtlich eines Teils des Rechtsstreits hat das Revisionsgericht in Abweichung von dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch dann, wenn nur ein Teil des Rechtsstreits bei ihm und ein weiterer Teil in einer der Vorinstanzen weiter anhängig ist, eine Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO für den erledigten Teil des Rechtsstreits zu treffen. Zur Vermeidung widersprechender Kostenentscheidungen muss sich diese Kostenentscheidung auch auf die diesbezüglich in den Vorinstanzen entstandenen Verfahrenskosten erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.1975 - I ZR 48/74, MDR 1976, 379; Beschluss vom 08.04.2015 - VII ZR 254/14, NJW 2015, 1762 = IBRRS 2015, 1712).*)
2. Gibt eine Partei die Erledigungserklärung verzögert ab, kann es im Rahmen der nach § 91a Abs. 1 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung gerechtfertigt sein, ihr die hierdurch entstandenen Mehrkosten aufzuerlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2007 - KVR 23/98, WRP 2008, 252 = IBRRS 2007, 5502).*)

IMRRS 2023, 1142

BayObLG, Beschluss vom 30.08.2023 - 102 AR 33/23
Wählt der Kläger im Mahnbescheidsantrag ein örtlich zuständiges Gericht, ist die Wahl des Gerichtsstands mit Zustellung des Mahnbescheids verbindlich. Nimmt der Kläger in der Anspruchsbegründung eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO vor, erstreckt sich die Bindungswirkung der Wahl der örtlichen Zuständigkeit auch auf die in der Anspruchsbegründung erweiterten Klageanträge.*)

IMRRS 2023, 1140

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.04.2023 - 7 B 1074/22
1. Das Normenkontrollgericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten erscheint.
2. Schwere Nachteile, die die Antragsteller infolge des Planvollzugs treffen könnten, müssen von diesem hinreichend aufgezeigt werden. Das gilt auch dann, wenn "chaotische Verkehrsverhältnisse" herrschen und durch das Vorhaben eine für den Antragsteller unzumutbare Verschlechterung der Erschließungssituation zu befürchten ist.

IMRRS 2023, 1136

BayObLG, Beschluss vom 31.08.2023 - 102 AR 167/23
1. Nicht prorogationsfähige Personen können nach dem Entstehen einer Streitigkeit durch schriftliche und ausdrückliche Vereinbarung eine Regelung in Bezug auf die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs für diese Streitigkeit treffen.*)
2. Durch eine solche Parteivereinbarung kann dem bereits angerufenen und zuständigen Gericht die Zuständigkeit nicht nachträglich entzogen werden.*)

IMRRS 2023, 1087

OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2023 - 25 W 89/23
1. Die Kosten des Rechtsstreits umfassen nicht die Kosten eines Vergleichs.
2. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, gelten die Kosten eines Prozessvergleichs als gegeneinander aufgehoben.

IMRRS 2023, 1121

BVerwG, Urteil vom 20.06.2023 - 4 CN 11.21
§ 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG findet im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO keine Anwendung.*)

IMRRS 2023, 1120

BGH, Urteil vom 01.08.2023 - VI ZR 307/21
1. Entsprechend der Regelung in § 555 Abs. 3 ZPO für das Anerkenntnisurteil ergeht ein Verzichtsurteil in der Revisionsinstanz nur auf gesonderten Antrag des Beklagten.*)
2. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut - der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann - und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Fernliegende Deutungen sind auszuschließen.*)

IMRRS 2023, 1119

BGH, Urteil vom 07.07.2023 - V ZR 210/22
Eine ordnungsgemäße Klageerhebung setzt grundsätzlich die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers voraus; die Adresse eines Postdienstleisters, der lediglich mit der Weiterleitung der an den Kläger gerichteten Post beauftragt ist, reicht hierfür nicht aus.*)

IMRRS 2023, 1094

LG Itzehoe, Beschluss vom 17.03.2023 - 11 T 8/23
Der Streitwert eines Verfahrens (Hauptsacheverfahren und auch einstweilige Verfügung, weil diese faktisch zur Erfüllung des Unterlassungsanspruchs führt) zur Unterlassung der Einberufung einer Eigentümerversammlung ist nicht mit dem vollen Interesse an den begehrten Beschlussfassungen gleich zu setzen. Die Festsetzung eines Viertels des Streitwerts für eine Beschlussklage ist angemessen.*)

IMRRS 2023, 1103

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.07.2023 - 1 S 886/23
Die an einem Verwaltungsgericht tätigen und entscheidenden Richter sind nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 ZPO verpflichtet, Tatsachen anzuzeigen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen können. Die Pflicht besteht in der Mitteilung des maßgeblichen Sachverhalts. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann eine gröbliche Pflichtverletzung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO darstellen.*)

IMRRS 2023, 1106

BGH, Beschluss vom 02.08.2023 - XII ZB 96/23
Zur Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist von Amts wegen bei Versagung einer beantragten Fristverlängerung über den ohne Einwilligung des Gegners bewilligungsfähigen Zeitraum hinaus (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 172/20, IBRRS 2021, 3027 = IMRRS 2021, 1125).*)

IMRRS 2023, 1096

VGH Hessen, Beschluss vom 20.07.2023 - 9 E 809/22
Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 98 VwGO i.V.m. § 485 Abs. 2 ZPO können die von einer kommunalen Beleuchtungseinrichtung ausgehenden Lichtimmissionen sein.*)

IMRRS 2023, 1097

BGH, Beschluss vom 15.06.2023 - V ZR 227/22
1. Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung, das gem. § 3 ZPO unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten ist.
2. Streiten die Parteien um das Bestehen eines Sondernutzungsrechts, bemisst sich die Beschwer des Klägers, dessen Klage auf Feststellung des Bestehens bzw. auf Einräumung eines Sondernutzungsrechts abgewiesen worden ist, nach der Wertsteigerung, die sein Wohnungseigentum bei Stattgabe der Klage erfährt. Gleiches gilt, wenn die Parteien zugleich um den Umfang des räumlichen Bereichs des Sondereigentums streiten.

IMRRS 2023, 1091

BGH, Beschluss vom 02.08.2023 - XII ZB 432/22
Eine Beschwerde ist formgerecht eingelegt, wenn trotz fehlerhafter Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung aufgrund der Angaben in der Beschwerdeschrift und den sonstigen aus den Verfahrensakten erkennbaren Umständen vor Ablauf der Beschwerdefrist für das Gericht nicht zweifelhaft bleibt, welche Entscheidung angefochten wird, und es anhand der im Übrigen richtigen und vollständigen Angaben in der Rechtsmittelschrift nicht daran gehindert ist, seine verfahrensvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20.05.2015 - XII ZB 368/14, IBRRS 2015, 3582 = IMRRS 2015, 1556).*)

IMRRS 2023, 1088

BGH, Beschluss vom 31.07.2023 - VIa ZB 1/23
Zu den Voraussetzungen einer wiederholten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Einwilligung des Gegners.*)

IMRRS 2023, 1086

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.08.2023 - 7 A 3230/21
1. Für die Schutzwürdigkeit des Feststellungsinteresses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist kennzeichnend, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden darf, insbesondere dann nicht, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrags die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen muss.
2. Das Interesse eines Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer angefochtenen Baugenehmigung im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses ist zu verneinen, wenn die Klage zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begründet worden ist, sodass er auch nicht um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden konnte, dessen Erledigung im Übrigen ausschließlich auf sein Verhalten zurückgegangen sei.

IMRRS 2023, 1085

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.08.2023 - 3 O 62/23
Gegen Maßnahmen der Rechtsprechung, die in spruchrichterlicher Tätigkeit als Instanz der unbeteiligten Streitentscheidung getroffen werden, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.

IMRRS 2023, 1654

BGH, Beschluss vom 18.07.2023 - VIII ZA 6/23
ohne amtlichen Leitsatz

IMRRS 2023, 1080

OLG Dresden, Beschluss vom 07.08.2023 - 4 W 417/23
Für Streitwertbeschwerden gegen Entscheidungen der Landgerichte ist das Oberlandesgericht auch dann zuständig, wenn das Landgericht als Berufungsgericht entschieden hat. Ein Anwaltszwang besteht hierfür nicht.*)

IMRRS 2023, 1077

BGH, Beschluss vom 05.07.2023 - XII ZB 539/22
Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung.*)

IMRRS 2023, 1075

BGH, Beschluss vom 18.07.2023 - VI ZR 126/21
Auch wenn es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts steht, ob und inwieweit eine im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen ist, kann von einer erneuten mündlichen Anhörung des Sachverständigen jedenfalls dann nicht abgesehen werden, wenn das Berufungsgericht dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz würdigen will (Festhaltung an BGH, Urteil vom 08.06.1993 - VI ZR 192/92, IBRRS 1993, 0393; Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 06.03. 2019 - IV ZR 128/18, Rn. 7, IBRRS 2019, 0847 = IMRRS 2019, 0311; vom 14.07.2020 - VI ZR 468/19, IBR 2021, 55).*)

IMRRS 2023, 1073

OLG Schleswig, Beschluss vom 26.06.2023 - 7 U 53/23
1. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht.*)
2. Um Fehlerquellen bei der Einhaltung von Rechtsmittelfristen auszuschließen, ist eine organisatorische Anordnung des Rechtsanwalts erforderlich, dass bei Berufungen außer dem Datum des Fristablaufs auch noch eine Vorfrist zu vermerken ist. Wenn ihm die Akten auf Vorfrist vorgelegt werden, hat der Rechtsanwalt Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist.*)
3. Wenn der Zeitpunkt der Zustellung eines erstinstanzlichen Urteils zweifelhaft ist, muss sich der Rechtsanwalt selbst um die Aufklärung bemühen.*)
4. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass das intern im Büro notierte Eingangsdatum immer mit dem Datum des elektronischen Empfangsbekenntnisses übereinstimmt.*)

IMRRS 2023, 1072

OLG Dresden, Beschluss vom 21.06.2023 - 4 U 340/23
Begründete Zweifel, die eine Wiederholung der Beweisaufnahme gebieten, werden nicht dadurch hervorgerufen, dass der begründeten Einschätzung eines (…) Sachverständigen allein mit einer abweichenden Meinung entgegengetreten wird.*)

IMRRS 2023, 1052

OLG Hamm, Urteil vom 25.04.2022 - 17 U 4/22
1. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 Brüssel Ia-VO ist das Gericht eines Mitgliedstaates (ausschließlich) zuständig, wenn die Parteien unabhängig von ihrem Wohnsitz vereinbart haben, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaates über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedsstaates materiell ungültig.
2. Die Brüssel Ia-VO stellt keine Voraussetzungen für ihren Anwendungsbereich auf, insbesondere ist es nicht (mehr) erforderlich, dass jedenfalls eine Partei ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Demzufolge können auch zwei sog. Drittstaatler, also Personen, die außerhalb der Mitgliedstaaten ansässig sind, die Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaates gem. Art. 25 Brüssel Ia-VO vereinbaren.

IMRRS 2023, 0967

VerfGH Berlin, Beschluss vom 21.06.2023 - VerfGH 189/21
1. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass erhebliches tatsächliches oder rechtliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.
2. Solche Umstände liegen etwa vor, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, trotz ausreichend substanziierten entscheidungserheblichen Vortrags oder eines entsprechenden Beweisangebots in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt.
3. Trägt der Vermieter umfangreich zu Aspekten vor, die seiner Meinung nach gegen die Tauglichkeit des Berliner Mietspiegels 2019 als Schätzgrundlage für die streitgegenständliche Wohnung im Stadtteil Kreuzberg sprechen, und hierzu u. a. auf statistische Erhebungen der Investitionsbank Berlin (sog. IBB Wohnungsmarktberichte) sowie auf einen Aufsatz von zwei Professoren für angewandte Statistik im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft verwiesen, muss sich das Gericht damit auseinandersetzen und darf nicht einfach stattdessen den Berliner Mietspiegel anwenden.

IMRRS 2023, 0963

BayObLG, Beschluss vom 19.07.2023 - 101 AR 136/23 e
1. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift ("verklagt werden sollen") hinaus auch noch in Betracht, wenn gegen die Beklagten bereits eine Klage vor demselben Gericht erhoben worden ist.
2. Die Bestimmung eines für mehrere Beklagte zuständigen Gerichts kommt dann nicht mehr in Frage, wenn ein Rechtsstreit bereits so weit fortgeschritten ist, dass sich das bestimmende Gericht vernünftigerweise - namentlich aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - nur noch für das bereits mit der Sache befasste Gericht entscheiden und deshalb mangels echter Wahlmöglichkeit von einer Bestimmung des zuständigen Gerichts an sich keine Rede mehr sein kann.
3. Diese Zäsur ist als erreicht angesehen worden, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte bereits sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht.
4. Richtet sich nur ein Teil der im Wege der objektiven Anspruchshäufung in einer Klage erhobenen Ansprüche gegen Streitgenossen, kommt eine Bestimmung des zuständigen Gerichts für den Rechtsstreit insgesamt nicht in Betracht.
5. Bei dem Deckungsprozess handelt es sich nicht deshalb um eine Streitigkeit gem. § 23 Nr. 2 GVG, weil der Rechtsstreit einen Versicherungsfall zum Gegenstand hat, der im Bereich der Wohnraummiete eingetreten ist.
