Immobilien- und Mietrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16160 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2023
IMRRS 2023, 1182
LG Berlin, Urteil vom 20.06.2023 - 65 S 198/22
1. Die bei Übermittlung einer Berufungsschrift verwendete Signatur verliert ihre Eigenschaft als qualifizierte elektronische Signatur i.S.d. Art. 26 eIDAS-VO, § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ZPO nicht etwa dadurch, dass es sich um eine Signatur mit Dokumenteninhalt handelt ("enveloping signature"), d. h. eine Signatur, die mit dem zu übermittelnden Dokument dadurch verbunden ist, dass das Dokument in die Signatur eingebettet ist. Denn eine nachträgliche (unerkannte) Veränderung der Daten wird durch die Verwendung der Signatur nicht ermöglicht.
2. Wird eine Klageerweiterung im Urteil nicht erwähnt, so entfällt die Rechtshängigkeit dieser Ansprüche, wenn keine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO auf Antrag einer Partei innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO erfolgt.
3. Die Mietbegrenzungsverordnung Berlin 2015 ist wirksam.
4. Eine Anschlussberufung, die sich gegen (eine) bisher am Verfahren nicht als Partei beteiligte Person(en) richtet, ist unzulässig.

IMRRS 2023, 1417

LG Berlin, Beschluss vom 19.10.2023 - 67 T 79/23
Die Zurückweisung eines auf Verlängerung der Räumungsfrist gerichteten Antrags ist verfahrensfehlerhaft, wenn das Gericht sie auf unzureichende Anmietbemühungen des Mieters stützt, ohne gleichzeitig tatsächliche Feststellungen dazu zu treffen, ob, gegebenenfalls wann, intensivere Anmietbemühungen vor Ablauf der ursprünglich gewährten Räumungsfrist zum Erfolg geführt hätten.*)

IMRRS 2023, 1410

OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.08.2023 - 6 W 51/23
1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den nicht am Ort des Prozessgerichts und nicht am Wohnsitz der Partei ansässigen Rechtsanwalt Termine wahrnimmt, richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
2. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten stellen dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.
3. Der Ersatz von Kosten für den mit der Terminswahrnehmung beauftragten Unterbevollmächtigten kann dabei insoweit beansprucht werden, als diese Kosten die ersparten Reisekosten nicht wesentlich (d. h. nicht mehr als 10 %) übersteigen.

IMRRS 2023, 1409

BVerwG, Beschluss vom 19.09.2023 - 9 B 14.23
1. Für das Merkmal der Öffentlichkeit i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG genügt es, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten von einer mündlichen Verhandlung Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2001 - 2 BvR 1620/01 -, NJW 2002, 814; BVerwG, Beschluss vom 20.07.2016 - 9 B 64.15 -, BeckRS 2016, 52829).*)
2. Weist der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht auf einen Verfahrensfehler (Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz durch fehlende Anzeige der Verhandlung auf der elektronischen Anzeigetafel) hin, obwohl er den Verstoß kannte oder hätte kennen müssen, tritt nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO Rügeverlust ein.*)

IMRRS 2023, 1214

AG Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 20.03.2023 - 980b C 2/23 WEG
Auch nach dem In-Kraft-Treten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 ist bei der Anfechtung von Abrechnungsbeschlüssen für die Bemessung des Gesamtinteresses weiterhin auf den Nennbetrag der (gesamten) Jahresabrechnung abzustellen.

IMRRS 2023, 1405

BGH, Beschluss vom 19.09.2023 - VIII ZB 44/22
1. Es ist - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des Zwangsvollstreckungsrechts geht.
2. Grundlage der Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen zu klären.
3. Der Senat lässt die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Rechtsfrage, ob ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf den Antrag auf Bewilligung oder Verlängerung einer Räumungsfrist nach § 794a ZPO zulässig ist, offen.
4. Es ist ungewiss, welchen Ausgang ein Verfahren genommen hätte, wenn eine umstrittene Rechtsfrage höchstrichterlich nicht geklärt ist. Mangels anderer Verteilungskriterien sind die Kosten gegeneinander aufzuheben.

IMRRS 2023, 1399

OLG Nürnberg, Urteil vom 24.10.2023 - 3 U 965/23
Das volle Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen ist in der Regel nicht dringlichkeitsschädlich. Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen kann eine Selbstwiderlegung durch verzögertes Betreiben des Verfahrens auch bei der Einhaltung der Rechtsmittelfristen entfallen. Ein solcher Sonderfall kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung allenfalls in Betracht, wenn zum einen eine tatsächlich und rechtlich äußerst einfache Fallgestaltung gegeben ist, bei der keinerlei weitere tatsächliche Ermittlungen anzustellen und keine weiteren Glaubhaftmachungsmittel zu beschaffen sind, und wenn zum anderen der Verfügungskläger auch durch sein sonstiges Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist.*)

IMRRS 2023, 1389

KG, Beschluss vom 25.10.2023 - 10 W 181/23
Verlangt ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer, dass dieser sein Sondereigentum in einen aus Sicht des klagenden Wohnungseigentümers ordnungsmäßigen Zustand versetzen soll, bemisst sich der Gebührenstreitwert an dem Wertverlust, den das Wohnungseigentum des Klagenden durch die behauptete Störung erleidet.*)

IMRRS 2023, 1388

OLG Hamm, Beschluss vom 28.09.2023 - 25 W 234/23
Ein Kostenbeschluss nach § 494a Abs. 2 ZPO fällt weg, wenn im späteren Hauptsacheverfahren eine davon abweichende Kostengrundentscheidung - auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens betreffend - getroffen wird. Die aufgrund des Beschlusses nach § 494a Abs. 2 ZPO festgesetzten und gezahlten Kosten sind bei geänderter Kostengrundentscheidung zurückzuerstatten.*)

IMRRS 2023, 1365

BGH, Beschluss vom 24.08.2023 - IX ZR 18/22
Das Fehlen einer näheren Begründung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses stellt keine eigenständige Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör dar. Die Vorschrift des § 544 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 ZPO erlaubt unter den dort genannten Voraussetzungen verfassungsrechtlich unbedenklich das Absehen von einer Begründung des Zurückweisungsbeschlusses.

IMRRS 2023, 1549

BGH, Beschluss vom 27.09.2023 - VII ZR 133/22
ohne amtlichen Leitsatz

IMRRS 2023, 1364

BGH, Beschluss vom 26.09.2023 - VI ZB 48/23
1. Ein völlig ungeeignetes oder rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch ist unzulässig und kann ausnahmsweise unter Mitwirkung des abgelehnten Richters verworfen werden.
2. Ein Ablehnungsgesuch ist völlig ungeeignet, wenn es eine von vornherein untaugliche Begründung enthält oder wenn für dessen Verwerfung jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist.

IMRRS 2023, 1361

BVerwG, Beschluss vom 23.08.2023 - 4 BN 6.23
Eine Entscheidung ist eine das rechtliche Gehör verletzende Überraschungsentscheidung, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte.

IMRRS 2023, 1362

BGH, Beschluss vom 12.09.2023 - VI ZB 72/22
1. Das Berufungsgericht muss vor Verwerfung des Rechtsmittels mangels ausreichender Beschwer eine Zulassungsprüfung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen ist, dass die Beschwer der unterlegenen Partei 600,00 EUR übersteigt, und deswegen keine Prüfung der Zulassung der Berufung vorgenommen hat (st. Rspr.).*)
2. Ein Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO wegen einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes liegt in der Unterlassung einer gebotenen Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nur, wenn ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt (Anschluss BGH, Beschlüsse vom 29.01.2015 - V ZB 179/14, IBRRS 2015, 1384; vom 10.05.2012 - V ZB 242/11, IBRRS 2012, 2569 = IMRRS 2012, 1863).*)

IMRRS 2023, 1374

BFH, Urteil vom 26.07.2023 - II R 4/21
Die Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung wegen kurzfristigen Ausfalls eines geplanten Flugs ist jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Prozessbevollmächtigte weder darlegt noch glaubhaft macht, dass er kein alternatives Verkehrsmittel nutzen konnte, und es ihm zudem möglich gewesen wäre, an der mündlichen Verhandlung durch Video-Zuschaltung teilzunehmen.*)

IMRRS 2023, 1378

BGH, Urteil vom 20.09.2023 - VIII ZR 432/21
Zur Frage der Zulässigkeit des Erlasses eines Grundurteils (§ 304 Abs. 1 ZPO; im Anschluss an BGH, Urteile vom 27.01.2000 - IX ZR 45/98, unter I 1 b, IBRRS 2006, 0123 = NJW 2000, 1572; vom 12.07.2002 - V ZR 441/00, Rz. 9 f., IBRRS 2002, 1045 = NJW-RR 2002, 1576; vom 18.10.2017 - VIII ZR 86/16, Rz. 33, IBRRS 2017, 4246 = BGHZ 216, 193; vom 19.03.2021 - V ZR 158/19, Rz. 7, IBRRS 2021, 1229 = NJW-RR 2021, 1068).*)

IMRRS 2023, 1373

BGH, Urteil vom 22.09.2023 - V ZR 254/22
Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 43 Nr. 1 WEG a.F. (bzw. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG), wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt wurde. Dies gilt unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung (Fortentwicklung von Senat, Beschluss vom 17.11.2016 - V ZB 73/16, Rz. 12, IMR 2017, 81 = MDR 2017, 78).*)

IMRRS 2023, 1355

BGH, Beschluss vom 27.09.2023 - VII ZR 212/22
1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden.
2. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.

IMRRS 2023, 1111

AG Pfaffenhofen, Urteil vom 09.03.2023 - 2 C 567/22 WEG
Die Kosten eines Rechtsstreits des Verbands gehören zu den Kosten der Verwaltung, die wiederum auf alle Wohnungseigentümer, also auch den obsiegenden Kläger, zu verteilen sind.

IMRRS 2023, 1357

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 15.09.2023 - 2-13 T 568/23
Weist das Urteil als Kostenschuldner eine Wohnungseigentümergemeinschaft aus, können Kosten auch nur gegen diese festgesetzt werden und nicht gegen die Wohnungseigentümer.*)

IMRRS 2023, 1356

BGH, Beschluss vom 12.09.2023 - VI ZR 371/21
1. Der Antritt eines Zeugenbeweises erfordert - außer bei inneren Tatsachen - grundsätzlich keine Angaben dazu, wie der Zeuge die unter Beweis gestellte Tatsache erfahren haben soll. Ein Beweisantrag ist nur unter sehr engen Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich und daher als unzulässig zu bewerten.
2. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Ungeeignetheit des Beweismittels kommt nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann.
3. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr. vgl. nur BGH, Beschluss vom 10.04.2018 - VI ZR 378/17, IBRRS 2018, 2210 = IMRRS 2018, 0792).*)

IMRRS 2023, 1350

BGH, Beschluss vom 27.09.2023 - VII ZR 113/22
1. Bleibt ein Angriffsmittel einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter es in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht zurückgewiesen hat, ist zugleich das rechtliche Gehör der Partei verletzt.
2. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Das gilt aber nur unter der ungeschriebenen Voraussetzung, dass die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat.
3. Die Rechtsansicht des Gerichts hat den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Partei durch seine Prozessleitung oder seine erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten hat, zu bestimmten Gesichtspunkten vorzutragen. Das erstinstanzliche Gericht kann auch durch das Unterlassen von Hinweisen den Eindruck erwecken, der bisherige Parteivortrag sei ausreichend.

IMRRS 2023, 1325

LG Karlsruhe, Beschluss vom 27.09.2023 - 11 T 259/23
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
2. Ergibt sich, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, so ist das rechtliche Gehör der betreffenden Partei verletzt.
3. Diese Grundsätze gelten auch in einem Abhilfeverfahren nach § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG (Streitwertbeschwerde).

IMRRS 2023, 1339

OLG München, Beschluss vom 10.08.2023 - 7 U 1310/22
1. Die Versäumung der bereits zwei Mal verlängerten Berufungsbegründungsfrist erfolgt schuldhaft, wenn der zunächst mandatierte Rechtsanwalt dem Berufungskläger nicht so rechtzeitig seine Verhinderung an der Abfassung der Berufungsbegründung aus rechtlichen Gründen (hier: Vorbefassung als Notar) mitteilt, dass dieser noch einen anderen Rechtsanwalt beauftragen kann.
2. Die Verschuldenszurechnung nach § 85 Abs. 2 ZPO setzt nur die Erteilung der Prozessvollmacht voraus, nicht aber auch die Anzeige der Prozessvertretung an das Gericht.
3. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stellt keine Gewährung einer mit dem Verlängerungsantrag zugleich begehrten Wiedereinsetzung dar.

IMRRS 2023, 1336

OLG Stuttgart, Beschluss vom 31.07.2023 - 8 W 277/22
Scheidet infolge eines Parteiwechsels ein Beklagter aus dem Rechtsstreit aus und ergeht zu seinen Gunsten eine Kostenentscheidung dahingehend, dass der Kläger die Kosten des ausgeschiedenen Beklagten zu tragen hat, sind bei Beauftragung eines gemeinsamen Anwalts durch den ausgeschiedenen und den eingetretenen Beklagten die bisher angefallenen Gesamtkosten des gemeinsamen Anwalts hälftig zu erstatten und festzusetzen.

IMRRS 2023, 1300

KG, Beschluss vom 07.09.2022 - 7 EK 36/21
ohne amtlichen Leitsatz

IMRRS 2023, 1326

OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.09.2023 - 6 W 94/23
Reisekosten eines Rechtsanwalts, der eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten.

IMRRS 2023, 1324

LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2023 - L 6 SB 2273/23
1. Bei verkündeten Urteilen liegt eine Nichtentscheidung nicht schon deshalb vor, weil am Ende des elektronischen Dokuments keine erneute Namensnennung erfolgt ist.*)
2. Eine Nichtentscheidung ist hingegen dann gegeben, wenn bei einem Gerichtsbescheid weder im Rubrum noch am Ende des elektronischen Dokuments der Name des entscheidenden Berufsrichters aufgeführt ist, eine zweifelsfreie Zuordnung der Signatur damit nicht möglich ist.*)

IMRRS 2023, 1323

BFH, Urteil vom 26.09.2023 - V B 23/22
1. Finanzgerichte entscheiden bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Abrechnungsbescheiden in sog. Bauträgerfällen auch über den Bestand und die Durchsetzbarkeit der - dem Finanzamt von Bauleistenden abgetretenen - zivilrechtlichen Werklohnforderungen.*)
2. Mit der Aufhebung eines finanzgerichtlichen Aussetzungsbeschlusses durch den Bundesfinanzhof entfällt die Anordnung der vom Finanzgericht festgesetzten Sicherheitsleistung zumindest dann, wenn der Aussetzungsbeschluss unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung erfolgt ist, so dass sich eine nur gegen die Festsetzung der Sicherheitsleistung gerichtete Beschwerde insoweit als im Ergebnis als begründet erweist.*)

IMRRS 2023, 1317

LG Berlin, Urteil vom 23.08.2023 - 10 O 25/23
(Ohne amtliche Leitsätze)

IMRRS 2023, 1308

OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.10.2023 - 17 W 23/23
Die auf die Vorlage durch ein anderes Landgericht gestützte Aussetzung durch das erkennende Landgericht hindert die sofortige Beschwerde nicht, weil im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde das berufene Beschwerdegericht darüber zu befinden hat, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Aussetzung infolge der Vorgreiflichkeit einer Entscheidung in einem anderen Verfahren vorliegen und das aussetzende Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen (sachgerecht) Gebrauch gemacht und den Beschleunigungsbelangen der Prozessparteien hinreichend Rechnung getragen hat. Diese verfahrensimmanente Kontrolle ist bei einer Aussetzung nach Vorlage durch das aussetzende Gericht gewährleistet, ansonsten nicht.*)

IMRRS 2023, 1309

BVerwG, Beschluss vom 25.09.2023 - 1 C 10.23
1. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen denen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax.*)
2. Auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden, der durch eine zeitliche Sicherheitsreserve bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze Rechnung zu tragen ist.*)

IMRRS 2023, 1297

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10.10.2023 - 4 OA 39/23
Auf der Grundlage von § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind nur die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig.*)

IMRRS 2023, 1303

BFH, Beschluss vom 25.07.2023 - VIII B 27/22
Der prozessuale Anwaltszwang verlangt, dass der Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss; die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen. Daran fehlt es, wenn der Prozessbevollmächtigte eine Begründung des Klägers unter seinem Briefkopf als "Wortlautzitat" wiedergibt und anführt, es handle sich ausschließlich um eine Begründung des Klägers oder wenn der Prozessbevollmächtigte auf die in der jeweiligen Prozessordnung geregelten Zulassungsgründe verweist und mitteilt, der Kläger sei der Auffassung, das Rechtsmittel sei aus diesen Gründen zuzulassen.

IMRRS 2023, 1288

LAG Hessen, Beschluss vom 02.10.2023 - 18 Sa 1338/22
Die Vorbemerkung 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG führt auch im Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, dass keine Gebühr zu erheben ist, wenn nach teilweiser Rücknahme der Berufung und anschließender Verhandlung ein Vergleich geschlossen wird, welcher den Rechtsstreit im Umfang der verbliebenen Anträge vollständig beendet und im Vergleich eine Kostenregelung geschlossen wurde oder diese sich unmittelbar aus § 98 ZPO ergibt (Anschluss an LAG Hessen 18.07.2016 - 2 Ta 597/14, BeckRS 2016, 116485).*)

IMRRS 2023, 1296

BFH, Beschluss vom 18.08.2023 - IX B 104/22
1. Bei einer Videoverhandlung (...) muss jeder Beteiligte zeitgleich die Richterbank und die anderen Beteiligten visuell und akustisch wahrnehmen können. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn ein im Gerichtssaal anwesender Beteiligter den zugeschalteten Beteiligten nur sehen kann, wenn er selbst sich 180 Grad dreht.*)
2. Ist der Kläger (...) nicht rechtskundig vertreten, verliert er bei (verzichtbaren) Verfahrensmängeln (hier: Verletzung des rechtlichen Gehörs) sein Rügerecht nicht durch rügelose Verhandlung zur Sache.*)

IMRRS 2023, 1292

BGH, Beschluss vom 19.09.2023 - XI ZB 31/22
Eine Berufung ist unzulässig, wenn sie nicht wenigstens teilweise den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Dies ist beim Übergang von einer in erster Instanz erhobenen Klage auf Feststellung des Wegfalls von Primärpflichten des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag infolge des Widerrufs seiner Darlehensvertragserklärung zu einer mit der Berufung verfolgten Klage auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen der Fall.*)

IMRRS 2023, 1268

OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.2023 - 21 W 11/23
1. Ein für die Zulässigkeit der Nebenintervention ausreichendes rechtliches Interesse ist nur anzunehmen, wenn der Nebenintervenient zur unterstützten Partei oder zum Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt.
2. Ein rechtliches Interesse hat ein Streithelfer nur dann, wenn sich die Entscheidung des Streitfalls mittelbar oder unmittelbar auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig auswirkt, sie also "seine Rechtslage" verändert.
3. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist weit auszulegen. Ein bloßes wirtschaftliches Interesse genügt aber nicht. Liegt das Interesse des Nebenintervenienten nur darin, durch den Erfolg der Klage die Vermögenssituation des Klägers zu verbessern, begründet auch dies lediglich ein rein wirtschaftliches Interesse und kein die Nebenintervention rechtfertigendes rechtliches Interesse.

IMRRS 2023, 1281

BGH, Beschluss vom 11.07.2023 - VI ZR 256/22
1. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat.
2. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingegangen ist, sofern er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert gewesen ist
3. Zum Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Schadensersatzprozess.*)

IMRRS 2023, 1277

OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2023 - 6 W 61/23
1. Die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten stellen solche des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar, sofern die Parteien und der Streitgegenstand beider Verfahren identisch oder teilidentisch sind.
2. Im selbständigen Beweisverfahren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung, es ist deshalb über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Regelfall im Hauptsachverfahren zu entscheiden.
3. Eine sachbezogene abschließende Entscheidung in der Hauptsache ist nicht Voraussetzung für eine Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens.

IMRRS 2023, 1276

OLG Bamberg, Beschluss vom 28.08.2023 - 12 U 58/22
Für das Grundurteil gibt es keine besondere Bewertungsvorschrift. Der Streitwert entspricht demjenigen, der für den Anspruch anzusetzen ist, der den Streitgegenstand dieses Verfahrens ausmacht. Dass nur über den Grund dieses Anspruchs entschieden wird, mindert den Gebührenstreitwert nicht.

IMRRS 2023, 1272

VGH Bayern, Beschluss vom 19.09.2023 - 1 CS 23.1418
Ist der Rohbau bereits fertiggestellt, kann das mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verfolgte Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen in Bezug auf den Baukörper und seine Auswirkungen zu verhindern, nicht mehr erreicht werden. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Nachbarn stellt sich in einem solchen Fall für seine subjektive Rechtsstellung als unnütz dar.

IMRRS 2023, 1253

OLG Dresden, Beschluss vom 22.02.2023 - 5 U 2052/22
1. Die Vorschrift des § 570 BGB schließt Zurückbehaltungsrechte des Mieters (§§ 273, 320 BGB) umfassend aus, also ungeachtet der Frage, ob diese auf vertraglichen oder gesetzlichen Gegenansprüchen beruhen.*)
2. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers ist jedenfalls dann ein zwingendes Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, wenn sie ohne Weiteres möglich ist.*)

IMRRS 2023, 1274

BGH, Beschluss vom 31.08.2023 - III ZB 72/22
1. Auch wenn die Berufung noch nicht als unzulässig verworfen worden ist, kann gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werden.
2. Eine unklare Gerichtsbezeichnung in der beA-Maske kann Grund für eine Wiedereinsetzung sein.
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist nicht schon deshalb zu gewähren, weil das zuständige Oberlandesgericht in Hamburg am Tag des Fristablaufs als Empfängergericht im beA nicht unter seiner amtlichen Bezeichnung "Hanseatisches Oberlandesgericht" (ohne Ortsangabe), sondern nur als "Oberlandesgericht Hamburg" aufgefunden und ausgewählt werden konnte.

IMRRS 2023, 1265

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.09.2023 - 8 W 6/23
1. Der Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens bedarf einer hinreichenden Bezeichnung der Tatsachen, über die ein Beweis erhoben werden soll. Es genügt die Angabe der Beweistatsachen in groben Zügen. Insbesondere ist kein Vortrag zu den (vermuteten) Ursachen von Mängeln erforderlich.
2. Die Formulierung der Beweisbehauptungen in Frageform - anstelle tatsächlicher Behauptungen - steht einer Beweiserhebung nicht entgegen und macht den Beweisantrag nicht zum Ausforschungsbeweis.
3. Die Frage nach der Einhaltung der "anerkannten Regeln der Technik" steht einer Beweiserhebung ebenfalls nicht entgegen.

IMRRS 2023, 1266

OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.07.2023 - 5 MR 2/23
1. Das Exklusivitätsverhältnis zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 UmwRG ist mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes auszulegen, einschränkend dahin zu verstehen, dass es nur solche Vorhaben betrifft, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.*)
2. Die in der Anlage 3 Nr. 2.3 zum UVPG genannten Schutzkriterien dienen dem Gebietsschutz und nicht dem besonderen Artenschutz.*)

IMRRS 2023, 1263

BGH, Beschluss vom 31.08.2023 - VIa ZB 24/22
Zu den Anforderungen an die Versendung eines bestimmenden Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach.*)

IMRRS 2023, 1264

BGH, Beschluss vom 31.08.2023 - VI ZR 367/22
1. Die Gerichte sind dazu verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden.
2. Das Revisionsgericht kann nach § 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO von einer Begründung des Beschlusses, mit dem es über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, absehen, wenn diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

IMRRS 2023, 1247

OLG Dresden, Beschluss vom 14.08.2023 - 22 W 443/22
Streitwert der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit richtet sich nach den Regelungen für die Grunddienstbarkeit.*)

IMRRS 2023, 1246

OLG München, Urteil vom 14.07.2023 - 19 U 1370/23
1. Ein in der Vorinstanz erfolgreicher Kläger und Berufungsbeklagter kann den Rechtsmittelantrag der Beklagtenseite anerkennen. In jeder Lage des Verfahrens besteht die Möglichkeit, dieses durch Anerkenntnisurteil unmittelbar zu beenden.
2. Gegenstand des Anerkenntnisses ist der prozessuale Anspruch, wobei es sich nicht unbedingt um ein Leistungsbegehren handeln muss. Prinzipiell kann jede begehrte Rechtsfolge anerkannt werden.
