Immobilien- und Mietrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
15968 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2023
IMRRS 2023, 0969BGH, Beschluss vom 19.04.2023 - IV ZR 204/22
1. Der Abschlagsanspruch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 VVG ist nicht auf den Betrag gerichtet, den die Versicherung voraussichtlich zu zahlen hat. Vielmehr kann im Rahmen eines Abschlagsanspruchs allein dasjenige verlangt werden, was dem Versicherungsnehmer mit Sicherheit endgültig zusteht. Die Versicherung ist nicht verpflichtet, Vorschüsse unter dem Vorbehalt einer Schlussabrechnung zu zahlen.
2. Die Wiederherstellungsklausel des § 15 Nr. 4 Satz 1 VGB 88-L umfasst auch den Fall, dass (wie hier) Reparaturkosten für ein durch den Versicherungsfall beschädigtes Gebäude geltend gemacht werden.
3. Die Gerichte haben die Pflicht, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen. Eine Verletzung dieser Pflicht verstößt jedenfalls dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn das Gericht ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit der gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte nach dem vorherigen Verfahrensablauf nicht haben rechnen können (Fortführung u. a. von BGH, Beschluss vom 05.07.2022 - VIII ZR 137/21, IBRRS 2022, 2532 = IMRRS 2022, 1053).
4. Ein Gericht darf nicht ohne vorherigen Hinweis davon ausgehen, dass eine Partei neuem Vortrag des Gegners im Berufungsverfahren nicht entgegentreten möchte, wenn sich der Partei (wie hier) die Notwendigkeit weiteren Vortrags aufgrund des bisherigen Verfahrensgangs nicht hat aufdrängen müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.06.2003 - 1 BvR 2285/02, IBRRS 2003, 2591 = IMRRS 2003, 1099).
VolltextIMRRS 2023, 0944
VG Schwerin, Beschluss vom 04.07.2023 - 4 B 162/23
1. Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
2. Fehlt es an einer wirksamen Bevollmächtigung, sind die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat, also dem vollmachtlosen Vertreter.
VolltextIMRRS 2023, 0943
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 06.07.2023 - 1 LZ 238/23
Eine in der Sache isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung eines Anerkenntnisurteils im Rahmen eines Antrags auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.*)
VolltextIMRRS 2023, 0952
BGH, Beschluss vom 12.07.2023 - I ZB 10/23
1. Ein völlig ungeeignetes oder rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch ist eindeutig unzulässig und kann ausnahmsweise durch den Spruchkörper in seiner regulären Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschieden werden.
2. Ein Ablehnungsgesuch ist völlig ungeeignet, wenn seine Begründung von vornherein untauglich ist, eine Befangenheit des abgelehnten Richters aufzuzeigen, und für seine Verwerfung deshalb jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist.
VolltextIMRRS 2023, 0955
BGH, Beschluss vom 15.06.2023 - V ZR 222/22
Beschließen die Wohnungseigentümer eine Erhaltungsmaßnahme und wird der Beschluss angefochten, richtet sich das Gesamtinteresse nach den voraussichtlichen Gesamtkosten der Maßnahme. Diese Grundsätze gelten auch für die Anfechtung eines Grundlagenbeschlusses über die Erhaltungsmaßnahme.*)
VolltextIMRRS 2023, 0947
OVG Sachsen, Beschluss vom 24.07.2023 - 4 A 613/21
Mangels Klagebefugnis unzulässig ist eine Verpflichtungsklage, mit der der Erlass eines drittbegünstigenden und an den Dritten gerichteten Verwaltungsakts begehrt wird.*)
VolltextIMRRS 2023, 0942
OVG Saarland, Beschluss vom 22.05.2023 - 2 E 72/22
Endet ein Verfahren durch Klagerücknahme, so läuft die Sechs-Monats-Frist der §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ab Eingang der Rücknahmeerklärung beim Gericht. Auf das Datum des Einstellungsbeschlusses sowie das seiner Bekanntgabe kommt es in diesem Fall nicht an.*)
VolltextIMRRS 2023, 0946
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.07.2023 - 7 OB 33/23
Zum rechtlichen Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage.*)
VolltextIMRRS 2023, 0949
BGH, Beschluss vom 23.05.2023 - VIII ZB 16/22
Zur Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei Abweisung der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen auf Gewährung des Zutritts zur Mietwohnung und auf Duldung der Durchführung von Prüf- und Reparaturarbeiten (hier: vermuteter Rohrbruch) gerichteten Vollstreckungstitel.*)
VolltextIMRRS 2023, 0940
BVerfG, Beschluss vom 15.06.2023 - 1 BvR 1011/23
1. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit gebietet, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen.
2. Für die Beurteilung, wann ein dringender Fall i.S.d. § 937 Abs. 2 ZPO vorliegt und damit auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann, haben die Fachgerichte einen weiten Wertungsrahmen.
3. Die Annahme einer Dringlichkeit setzt auch seitens des Gerichts eine entsprechend zügige Verfahrensführung voraus. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist nur in dem Maße gerechtfertigt, wie die Dringlichkeit es gebietet.
4. Erstreckt sich ein einstweiliges Verfügungsverfahren über mehr als acht Wochen zwischen Antragstellung und Entscheidungsausfertigung, steht eine solche Verfahrensweise regelmäßig in Widerspruch zu der für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung in Anspruch genommenen gesteigerten Dringlichkeit.
VolltextIMRRS 2023, 0934
BayObLG, Beschluss vom 20.07.2023 - 101 AR 150/23
1. Eine Gerichtsstandswahl nach § 35 ZPO ist insgesamt nicht bindend, wenn sie fehlerbehaftet ist. Wählt der Kläger ein von vornherein sachlich unzuständiges Gericht, tritt auch bezüglich der Wahl der örtlichen Zuständigkeit keine Bindungswirkung ein. Wählt der Kläger dagegen ein zunächst sachlich und örtlich zuständiges Gericht und ändert sich nachträglich durch eine Klageerweiterung die sachliche Zuständigkeit, wird die Bindungswirkung der Wahl bezüglich der örtlichen Zuständigkeit hierdurch nicht berührt.*)
2. Das Wahlrecht nach § 35 ZPO kann grundsätzlich nicht mehr ausgeübt werden, wenn der Rechtsstreit bei einem zuständigen Gericht rechtshängig geworden ist.*)
VolltextIMRRS 2023, 0930
OLG Braunschweig, Beschluss vom 18.04.2023 - 4 W 4/23
1. Gegen den eine Aussetzung aufhebenden Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft.*)
2. In der Beschwerdeinstanz kann die im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidung nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden.*)
VolltextIMRRS 2023, 0929
OLG Hamburg, Beschluss vom 17.07.2023 - 4 W 23/23
Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung der nach § 556d BGB zulässigen Miete bemisst sich nach dem 42-fachen Überschreitungsbetrag. § 41 Abs. 5 GKG ist nicht anzuwenden.
VolltextIMRRS 2023, 1658
BGH, Beschluss vom 27.06.2023 - II ZR 86/22
1. Für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens genügt der Antrag einer Partei, dem der Gegner zustimmt. Diese Zustimmung muss nicht gegenüber dem Gericht erklärt werden und unterliegt daher auch nicht dem Anwaltszwang.
2. Den Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens kann auch ein Streithelfer stellen, wenn er sich hierdurch nicht mit einer Erklärung der Hauptpartei in Widerspruch setzt.
VolltextIMRRS 2023, 0926
OLG Köln, Beschluss vom 17.05.2023 - 15 W 19/23
Sind Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH anhängig, die eine Rechtsfrage zum Gegenstand haben, die auch für ein anderes Verfahren entscheidungserheblich ist, kann das andere Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt werden. Eine Beschwerde hiergegen ist nicht statthaft.
VolltextIMRRS 2023, 0916
OLG Rostock, Beschluss vom 06.03.2023 - 3 W 25/23
Bei dem Vorschuss zur Selbstbeseitigung und dem Schadensersatz handelt es sich nicht um unterschiedliche Streitgegenstände, so dass ein Wechsel im Prozess von dem Vorschussanspruch auf den Schadensersatzanspruch keine Klageänderung darstellt, so dass auch bei der Bestimmung des Streitwerts diese nicht zu addieren sind.*)
VolltextIMRRS 2023, 0919
BFH, Beschluss vom 30.06.2023 - V B 13/22
1. Bei einer sog. "Videokonferenz" muss für die Beteiligten während der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung nach § 91a Abs. 1 FGO - ähnlich wie bei einer körperlichen Anwesenheit im Verhandlungssaal - feststellbar sein, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Dies erfordert, dass alle zur Entscheidung berufenen Richter während der "Videokonferenz" für die lediglich "zugeschalteten" Beteiligten sichtbar sind. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn für den überwiegenden Zeitraum der mündlichen Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats im Bild zu sehen ist.*)
2. Auf die Beachtung der Vorschriften über die Besetzung des Gerichts kann nicht wirksam verzichtet werden. Dies ist der Disposition der Beteiligten entzogen.*)
VolltextIMRRS 2023, 0920
BGH, Beschluss vom 06.06.2023 - VI ZR 197/21
1. Einwände einer Partei gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten, die unter Vorlage eines Privatgutachtens geltend gemacht werden, muss das Gericht ernst nehmen. Es muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären.
2. Zum Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Schadensersatzprozess.*)
VolltextIMRRS 2023, 0913
OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.04.2023 - 11 UH 15/23
1. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO findet analoge Anwendung, wenn ein Zuständigkeitskonflikt zwischen zwei Spruchkörpern aufgrund gesetzlicher Zuständigkeitsregelungen besteht (Anschluss an BGH, IBR 2022, 659). Voraussetzung einer Zuständigkeitsbestimmung ist dabei, dass sich beide Spruchkörper "rechtskräftig" für unzuständig erklärt haben.*)
2. In solchen Zuständigkeitsstreitigkeiten findet § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO analoge Anwendung (Anschluss an BGH, IBR 2022, 659).*)
3. Ein Verweisungsbeschluss ist willkürlich und daher nicht nach § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO bindend, wenn die den Beschluss tragenden Erwägungen aufgrund fehlender Begründung nicht erkennbar sind, wenn eine gegebene Begründung dahingehend widersprüchlich ist, dass sie - ohne dass das verweisende Gericht den Widerspruch auflöst - das gegenteilige Ergebnis nahelegt oder wenn der in der Begründung angenommene rechtliche Ansatz die Schlussfolgerungen offensichtlich nicht deckt.*)
4. Dafür, ob eine Streitigkeit i.S.d. § 72a Abs. 1 GVG vorliegt, kommt es auf den Streitgegenstand von Klage und gegebenenfalls Widerklage, nicht aber auf den Gegenstand einer geltend gemachten Aufrechnung an (Anschluss an OLG Schleswig, IBR 2021, 558).*)
VolltextIMRRS 2023, 0910
BGH, Beschluss vom 21.06.2023 - IX ZR 99/22
ohne amtlichen Leitsatz
VolltextIMRRS 2023, 0907
BAG, Beschluss vom 29.06.2023 - 3 AZB 3/23
Ein elektronisch eingereichtes Dokument - auch eine Word-Datei - ist bei führender Papierakte i.S.v. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen, wenn es druckbar war und gem. § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen worden ist.*)
IMRRS 2023, 0908
BGH, Urteil vom 25.05.2023 - V ZR 134/22
1. § 130d Satz 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Der Prozessbevollmächtigte, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen.*)
2. Der Käufer, der von dem Verkäufer im Rahmen des kleinen Schadensersatzes gem. § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache verlangt, kann jedenfalls dann nicht auf wesentlich geringere Mängelbeseitigungskosten verwiesen werden, wenn der Mangel damit nicht ohne Zweifel behoben werden kann.*)
VolltextIMRRS 2023, 0904
LG Berlin, Beschluss vom 06.07.2023 - 67 O 36/23
1. Nur 48 Stunden: Bei der Pflicht zur nachträglichen Darlegung und Glaubhaftmachung nach § 130d Satz 3 Alt. 2 ZPO handelt es sich mangels einzuräumender Prüfungs- und Überlegungszeit um eine unaufschiebbare Pflicht des Rechtsanwalts, die schon ein Zögern von mehr als zwei Tagen nach Kenntnis von den wesentlichen Umständen der technischen Störung nicht gestattet.*)
2. Die nachträgliche Glaubhaftmachung einer technischen Unmöglichkeit zur fristwahrenden Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht gemäß § 130d Satz 3 Alt. 2 ZPO kommt nicht mehr in Betracht, wenn dem Rechtsanwalt vor Fristablauf noch genügend Zeit zu einer Glaubhaftmachung zusammen mit der fristwahrend vorgenommenen Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 3 Alt. 1 ZPO zur Seite stand. Dafür reicht jedenfalls eine Zeitspanne von viereinhalb Stunden ab Kenntnis der technischen Unmöglichkeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist aus.*)
VolltextIMRRS 2023, 0905
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12.07.2023 - 2 M 324/23
Zur Darlegung der Gründe, aus denen der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss abzuändern ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) gehört auch, dass der Beschwerdeführer darlegt, aus welchen Gründen die Beschwerde Erfolg haben muss.*)
VolltextIMRRS 2023, 0897
OLG Bremen, Beschluss vom 13.06.2023 - 2 W 23/23
Der fehlende Wille des Prozessbevollmächtigten, das ihm per Empfangsbekenntnis übermittelte Schriftstück als zugestellt entgegenzunehmen, führt zur Unwirksamkeit einer Zustellung nach § 175 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 14.09.2011 – XII ZR 168/09 –, BGHZ 191, 59, Rn. 16 = IBRRS 2011, 3916 = IMRRS 2011, 2771). Ein solcher Zustellungsmangel ist auch nicht gem. § 189 ZPO heilbar (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.1988 – VI ZR 226/87 –, IBRRS 1988, 0150; Beschluss vom 13.01.2015 – VIII ZB 55/14 –, Rn. 12, IBRRS 2015, 1289). Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks eine Prozessvollmacht des Zustellungsadressaten, etwa gem. § 87 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO, besteht.*)
VolltextIMRRS 2023, 0885
BGH, Beschluss vom 21.06.2023 - VII ZR 158/22
1. Mit der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, können nur neue und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch den Bundesgerichtshof gerügt werden.
2. Die Gerichte sind nicht verpflichtet alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Dies gilt auch für die Entscheidung über die Anhörungsrüge.
VolltextIMRRS 2023, 0880
BGH, Beschluss vom 31.05.2023 - XII ZB 124/22
1. Die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch einen Rechtsanwalt erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach § 569 Abs. 2, § 130d ZPO die elektronische Übermittlung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 07.12.2022 - XII ZB 200/22, IBRRS 2023, 0247).*)
2. Zur (hier versagten) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall der Versäumung der Einlegungsfrist.*)
VolltextIMRRS 2023, 0875
VGH Bayern, Beschluss vom 19.06.2023 - 14 ZB 23.30376
Zur fristwahrenden Telefaxeinreichung eines Berufungszulassungsantrags unter anwaltlicher Versicherung der technisch bedingten Unmöglichkeit einer Übermittlung als elektronisches Dokument.*)
VolltextIMRRS 2023, 0874
OLG Köln, Beschluss vom 22.06.2023 - 17 U 42/22
Elektronische Dokumente sind zwingend im PDF-Format einzureichen. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV handelt es sich nicht um eine in das Belieben des Einreichers gestellte technische Vorgabe und die Nichtbeachtung des PDF-Formats begründet mehr als einen rein formalen Verstoß gegen technische Vorschriften. Der Einreicher hat kein Wahlrecht, in welcher Form er ein elektronisches Dokument bei Gericht einreicht.
VolltextIMRRS 2023, 0867
OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.07.2023 - 11 UH 23/23
1. Haben die Parteien als Gerichtsstand die Stadt "Frankfurt" vereinbart, ist das LG Frankfurt/Main - und nicht an der Oder - zuständig, wenn der Vertrag keinen Bezug zum Bezirk des LG Frankfurt/Oder aufweist.
2. Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Partei unterbricht das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung nicht.
VolltextIMRRS 2023, 0856
BFH, Beschluss vom 21.04.2023 - VIII B 144/22
Das Finanzgericht verletzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in verfahrensfehlerhafter Weise, wenn es den Kläger bei einem nicht in letzter Minute wegen einer Erkrankung gestellten Antrag auf Terminverlegung nicht zur Ergänzung seines Vortrags oder zur weiteren Glaubhaftmachung seiner Erkrankung auffordert, die mündliche Verhandlung durchführt und eine verfahrensabschließende Entscheidung trifft.*)
VolltextIMRRS 2023, 0855
OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.05.2023 - 1 U 44/22
1. Ein wesentlicher Verfahrensfehler i.S.v. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist gegeben, wenn die Urschrift eines Urteils entgegen § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statt der Parteibezeichnung nur die Angabe "volles Rubrum" enthält.*)
2. Ein Urteil ohne Parteibezeichnung erfüllt nicht die Mindestvoraussetzungen des § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Es ist als Nicht- oder Scheinurteil nicht der materiellen Rechtskraft fähig und zur Zwangsvollstreckung ungeeignet. Ihm kann keine instanzbeendende Wirkung zukommen.*)
VolltextIMRRS 2023, 0861
BGH, Beschluss vom 24.05.2023 - VII ZB 73/21
1. Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist.
2. Wird eine Erinnerung von einem Amtsrichter zurückgewiesen, ist die vollbesetzte Beschwerdekammer nur dann zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen, wenn der Einzelrichter durch eine gesonderte Entscheidung das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung übertragen hat. Das setzt einen entsprechenden Beschluss des Einzelrichters voraus.
3. Die Beschwerdekammer ist außer in Fällen, in denen die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zweifelhaft ist, nicht befugt, selbst über die Übertragung eines in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.
4. Hat das Beschwerdegericht zu Unrecht nicht durch den Einzelrichter, sondern durch die Beschwerdekammer entschieden, war es nicht vorschriftsmäßig besetzt und die fehlerhaft ergangene Entscheidung ist aufzuheben. Es ist unerheblich, ob sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt.
VolltextIMRRS 2023, 0860
AG Berlin-Mitte, Urteil vom 31.05.2023 - 23 C 36/23
1. Eine Klageschrift ist nicht formwirksam gem. § 130a Abs. 3 ZPO eingereicht, wenn diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, die das Dokument einbettet (sog. enveloped Signatur).*)
2. An welcher Stelle die qualifizierte elektronische Signatur bei der Übermittlung elektronischer Dokumente anzubringen ist und wie die Verknüpfung mit der jeweiligen Datei zu erfolgen hat, ist weder gesetzlich noch in der eIDAS-Verordnung bzw. im Durchführungsbeschlusses 2015/1506 geregelt. Insoweit stellt § 5 Abs. 1 Nr. 5 ERVV i.V.m. Nr. 5 ERVB 2022 eine - zulässige - Konkretisierung dar.*)
3. Der Zugang zu den Gerichten wird durch die Vorgaben in § 5 Abs. 1 Nr. 5 ERVV i.V.m. Nr. 5 ERVB 2022 nicht in unverhältnismäßiger Weise erschwert.*)
VolltextIMRRS 2023, 0846
BGH, Urteil vom 28.04.2023 - V ZR 270/21
1. Legt der Kläger, der in erster Instanz mit seinem Hauptantrag obsiegt hat, als Berufungsbeklagter seinen bereits erstinstanzlich in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise hilfsweise erhobenen Klageanspruch erstmalig in dem Berufungsrechtszug schlüssig dar, muss er sich hierfür nicht gemäß § 524 ZPO der Berufung des Berufungsklägers anschließen.*)
2. Ausführungen des Berufungsgerichts zu der fehlenden Begründetheit des Hilfsantrags gelten als nicht geschrieben, wenn das Berufungsgericht zugleich rechtsfehlerhaft annimmt, der erstinstanzlich mit dem Hauptantrag erfolgreiche Kläger hätte sich für die Geltendmachung seines Hilfsantrags in der Berufungsinstanz gemäß § 524 ZPO der Berufung des Beklagten anschließen müssen.*)
VolltextIMRRS 2023, 0813
OLG Bremen, Beschluss vom 23.05.2023 - 2 W 41/22
Auch bei der Antragsrücknahme ist der Inhalt einer zu Grunde liegenden Vereinbarung bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen.
VolltextIMRRS 2023, 0844
BFH, Beschluss vom 14.06.2023 - IX B 75/22
Zu den erheblichen Gründen i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO gehört auch die Verpflichtung zur Absonderung in häuslicher Quarantäne aufgrund der Corona-Pandemie. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger nicht zumutbar auf eine anderweitige Vertretung verwiesen werden kann (Anschluss an BSG, Beschlüsse vom 20.04.2021 - B 5 R 18/21 B, BeckRS 2021, 12883, und vom 02.08.2022 - B 7 AS 10/22 B, BeckRS 2022, 21789).*)
VolltextIMRRS 2023, 0852
BGH, Beschluss vom 27.04.2023 - III ZB 56/20
Ein Befangenheitsantrag ist offensichtlich unzulässig, wenn das Verfahren abgeschlossen, eine konkrete Person, gegen die sich der Antrag richtet, nicht bezeichnet und ein Grund, auf den die Besorgnis der Befangenheit gestützt wird, nicht genannt ist.
VolltextIMRRS 2023, 0839
OLG München, Beschluss vom 04.04.2023 - 11 W 294/23
1. Privat in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten oder Stellungnahmen sind im Verfahren der Kostenfestsetzung nur ausnahmsweise als "notwendige Kosten des Rechtsstreits" erstattungsfähig. Dies gilt sowohl für vor einem Prozess entstandene wie auch für erst später, in dessen Verlauf angefallene Kosten.
2. Kosten für im Verlauf eines Prozesses privat in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten können nur dann für eine Festsetzung in Betracht kommen, wenn beachtet wird, dass es grundsätzlich Sache des Gerichts - und nicht der Parteien - ist, Beweise zu erheben.
3. Nur in bestimmten Ausnahmefällen, bei fehlender Sachkunde einer Partei etwa, kann ein Privatgutachten veranlasst sein, wenn es dazu dienen soll, ein bereits vorliegendes gerichtlich erholtes Gutachten zu erschüttern oder wenn ohne Hilfe eines Privatsachverständigen sachdienlicher Vortrag nicht möglich ist.
4. Darauf, ob ein Privatgutachten die Entscheidung beeinflusst hat, kommt es nicht an. Maßgeblich die Beurteilung ist, ob eine Partei im Zeitpunkt der die Kosten auslösenden Maßnahme, also bei Beauftragung des Sachverständigen, deren Erforderlichkeit vernünftigerweise annehmen konnte.
VolltextIMRRS 2023, 0840
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.04.2022 - 6 W 19/22
1. Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Maßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte.
2. Ist eine Partei aus eigener Sachkunde nicht ausreichend in der Lage, sich sachgerecht mit einem gerichtlich eingeholten oder von der Gegenseite vorgelegten Gutachten auseinanderzusetzen, insbesondere weil ihr aufgrund einer komplizierten und fremden Materie das erforderliche Spezialwissen fehlt, sind die Kosten für ein prozessbegleitendes Privatgutachten in aller Regel zur Ermöglichung eines substantiierten Sachvortrags notwendig.
VolltextIMRRS 2023, 0837
BGH, Beschluss vom 13.06.2023 - VIII ZR 127/17
1. Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Ablehnungsgesuch bereits beschiedenen Vortrag wiederholt. Die Entscheidung hängt dann nur noch von einer rein formalen Prüfung ab, die kein erneutes inhaltliches Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert.
2. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen.
VolltextIMRRS 2023, 0834
BGH, Beschluss vom 25.05.2023 - III ZB 106/22
1. Die Vorschrift des § 8 ZPO findet auch auf Kleingartenpachtverhältnisse i.S. des Bundeskleingartengesetzes Anwendung. Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, ist im Rahmen der Wertbemessung gem. § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrags entsprechend anzuwenden.
2. Der Wert der Beschwer bemisst sich bei einer Verurteilung zur Räumung, die den Mieter/Pächter auch dazu verpflichtet, die von ihm angebrachten Einrichtungen und Anpflanzungen auf dem verpachteten Grundstück zu entfernen, allein nach § 8 ZPO. Der Kostenaufwand zur Erfüllung der Räumungspflicht ist ohne Bedeutung.
VolltextIMRRS 2023, 0833
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.05.2023 - 4 A 693/23
1. Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn es offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist. Als rechtsmissbräuchlich ist ein Ablehnungsgesuch zu qualifizieren, wenn es gar nicht oder nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können und mit der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzeswidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird.
2. Über ein offensichtlich rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch entscheidet abweichend von § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters. Ebenso bedarf es keiner dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters.
VolltextIMRRS 2023, 0829
KG, Beschluss vom 19.06.2023 - 10 W 100/23
Ein Ablehnungsgesuch, das unter eine Bedingung gestellt wird (hier: Ablehnung des Antrags auf Terminsaufhebung), ist unzulässig.*)
VolltextIMRRS 2023, 0821
BGH, Urteil vom 26.04.2023 - VIII ZR 125/21
Eine Verzinsung eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs für verauslagte Gerichtskostenvorschüsse gem. § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, soweit dieser materiell-rechtliche Erstattungsanspruch wegen des Vorrangs des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht durchgesetzt werden kann.*)
VolltextIMRRS 2023, 0819
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.05.2023 - 5 Sa 143/23
1. Für den nach § 233 ZPO maßgeblichen Verschuldensmaßstab ist zwar nicht von der äußersten und größtmöglichen Sorgfalt auszugehen, sondern von der von einer ordentlichen Rechtsanwältin oder einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernden üblichen Sorgfalt (BGH, Beschluss vom 16.09.2015 - V ZB 54/15, IBRRS 2015, 3579 = IMRRS 2015, 1554). Zu letztgenannter gehört allerdings die Kenntnis des § 46g ArbGG und der Möglichkeit, Schriftsätze bei vorübergehender Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments fristwahrend nach allgemeinen Vorschriften zu übermitteln.*)
2. Das gilt auch dann, wenn die vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung auf einer erpresserischen Verschlüsselung der Daten auf allen Kanzleirechnern beruht.*)
VolltextIMRRS 2023, 0818
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.06.2023 - 6 W 26/23
Erledigt sich das Verfahren durch Rechtsmittelrücknahme, so beginnt die Frist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG erst mit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 516 Abs. 3 ZPO.*)
VolltextIMRRS 2023, 0815
OLG Celle, Beschluss vom 19.06.2023 - 2 W 75/23
Auch wenn nur die Kosten des zweiten von zwei hintereinander mandatierten Rechtsanwälten zur Festsetzung angemeldet werden, ist zu prüfen, ob es sich um nicht notwendige (vermeidbare) Mehrkosten handelt.*)
VolltextIMRRS 2023, 0814
OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.06.2023 - 6 W 65/22
1. Die unterliegende Partei hat grundsätzlich die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu ersetzen. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind dabei insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste.
2. Notwendig ist ein Anwaltswechsel, wenn er nicht auf ein Verschulden der Partei oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts zurückzuführen ist.
3. Für die Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten, die durch einen Anwaltswechsel entstanden sind, reicht nicht schon die objektive Notwendigkeit dieses Wechsels aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass ein Wechsel unvermeidbar war, somit nicht schuldhaft verursacht worden ist.
4. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist nicht nur zu prüfen, ob die Beauftragung des zweiten Rechtsanwalts objektiv notwendig war, sondern auch, ob der Wechsel auf Umständen beruht, die die Partei oder der Anwalt voraussehen oder in zumutbarer Weise hätten verhindern können.
VolltextIMRRS 2023, 0794
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 15.06.2023 - 2-13 S 92/22
Die Klage auf Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums ist nach Inkrafttreten des WEMoG auch dann gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten, wenn eine Teilungserklärung aus dem Jahre 2001 die "Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer" vorsieht.*)
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