Immobilien- und Mietrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
5159 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2022
IMRRS 2022, 0984BGH, Urteil vom 20.05.2022 - V ZR 199/21
1. Die in § 919 Abs. 1 BGB geregelte Mitwirkungspflicht des Nachbarn bei der Abmarkung setzt voraus, dass der Grenzverlauf festgestellt ist.*)
2. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann sich ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf Duldung einer für die Grenzfeststellung erforderlichen Vermessung in der Wohnung des Nachbarn ergeben; der Umstand, dass Wohnungen für die amtliche Vermessung nach den Bestimmungen des einschlägigen Landesvermessungsgesetzes nur mit Einwilligung des Wohnungsinhabers betreten werden dürfen, schließt dies nicht aus.*)
VolltextIMRRS 2022, 0945
BGH, Urteil vom 26.04.2022 - X ZR 3/20
1. Zur substantiierten Darlegung von Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB genügt der Vortrag konkreter Anhaltspunkte, aufgrund derer die Möglichkeit der Geschäftsunfähigkeit nicht von der Hand zu weisen ist.*)
2. Die Sittenwidrigkeit eines unentgeltlichen Geschäfts gem. § 138 Abs. 1 BGB kann sich nicht nur aus Motiven des Zuwendenden ergeben, sondern auch und sogar in erster Linie aus den Motiven des Zuwendungsempfängers.*)
VolltextIMRRS 2022, 0929
BGH, Urteil vom 11.03.2022 - V ZR 35/21
Wird der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten bemessen, hat das Gericht eine Schadensermittlung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmen und insoweit zu prüfen, in welcher Höhe ein Schaden überwiegend wahrscheinlich ist; das gilt auch und gerade dann, wenn in einem Sachverständigengutachten eine Schätzungsbandbreite (hier: +/- 30%) genannt wird.*)
VolltextIMRRS 2022, 0928
BGH, Urteil vom 02.06.2022 - V ZR 132/21
1. Die Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld umfasst grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsgläubigers, im Wege der Vollstreckung die Löschung der Grundschuld zu verlangen.*)
2. Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt sich nach der Sicherungsvereinbarung. Ist ein weiter Sicherungszweck vereinbart, der eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt; das ist (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung endet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde (Fortführung von Senat, Urteil vom 19.04.2013 - V ZR 47/12, Rz. 12, IMRRS 2013, 1230 = BGHZ 197, 155).*)
3. Der Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe einer Sicherheit setzt den Eintritt einer insoweit endgültigen Übersicherung des Sicherungsnehmers und damit den Wegfall des Sicherungszwecks voraus. Das ist bei einer weiten Sicherungsvereinbarung (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer beendet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde.*)
4. Im Verlangen auf Rückgewähr einer nicht oder nicht voll valutierten Grundschuld liegt regelmäßig die konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede.*)
5. Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist nicht berechtigt die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen; die Pfändung des Rückgewähranspruchs verschafft ihm nicht das Kündigungsrecht.*)
VolltextIMRRS 2022, 0927
BGH, Urteil vom 01.07.2022 - V ZR 23/21
1. Der gegen den Nachbarn gerichtete Anspruch des Grundstückseigentümers aus § 16a NachbG-BE auf Duldung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung hat einzig zur Voraussetzung, dass die Überbauung zum Zwecke der Dämmung eines bereits bestehenden, an der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes erfolgt. Einschränkungen des Duldungsanspruchs, wie sie die Nachbarrechtsgesetze anderer Bundesländer enthalten, können der Regelung nicht unter Rückgriff auf "allgemeine Rechtsgrundsätze" oder im Wege der verfassungskonformen Auslegung entnommen werden.*)
2. Zur materiellen Verfassungsmäßigkeit von § 16a NachbG-BE.*)
VolltextIMRRS 2022, 0930
BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 4/21
1. Fehlt einem bebauten Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg deshalb, weil die in der bestandskräftigen Baugenehmigung vorgesehene Zuwegung schon bei der Bebauung technisch nicht herstellbar war oder jedenfalls nicht (mehr) hergestellt werden kann, ist das Notwegrecht nicht gem. § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.*)
2. Wird durch den Notweg eine Dienstbarkeit an dem Nachbargrundstück beeinträchtigt, muss der Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks die Duldung des Notwegs nicht nur von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, sondern auch von dem Dienstbarkeitsberechtigten verlangen.*)
3. Ob eine Zuwegung zu einem bebauten Grundstück den Anforderungen an eine zur ordnungsmäßigen Grundstücksnutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg genügt, beurteilt sich nach den aktuellen technischen und rechtlichen Voraussetzungen und nicht nach den Gegebenheiten bei Erteilung der Baugenehmigung.*)
VolltextIMRRS 2022, 0922
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.03.2022 - 3 W 19/22
Die Nutzung der elektronischen Form für ein Ersuchen an das Grundbuchamt ist in §§ 126 ff. GBO i.V.m. der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Rheinland-Pfalz vom 10.07.2015 ausschließlich für Notare verpflichtend vorgesehen. Mit der Einführung von § 130d ZPO und § 14b FamFG hat der Bundesgesetzgeber den Wortlaut des § 135 Abs. 1 Nr. 4 GBO nicht angepasst und keine Ausweitung der Nutzungspflicht, beispielsweise für Behörden, normiert.*)
VolltextIMRRS 2022, 0971
BVerfG, Beschluss vom 17.05.2022 - 2 BvR 661/22
Im Verfahren auf Erlass einer einstweilige Anordnung gegen die vollzogene Zwangsräumung hat der Antragsteller darzulegen, wie das Ziel, die bereits vollzogene Zwangsräumung rückgängig zu machen, im Rahmen eines Vollstreckungsschutzverfahrens erreicht werden kann. Denn der Antrag nach § 765a ZPO wird außerhalb des Erkenntnisverfahrens gestellt und ist lediglich auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und damit gerade nicht auf die Erlangung eines Titels gegenüber dem Gläubiger auf Einweisung in den Besitz gerichtet.
VolltextIMRRS 2022, 0888
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.01.2022 - 9 LA 122/20
1. Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten kann vorliegen, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Entstehung sachlicher Beitragspflichten ein im hinteren Teil bebautes Grundstück geteilt und das dadurch entstandene, an die demnächst abzurechnende Anbaustraße angrenzende Anliegergrundstück auf einen Dritten übertragen wird, ohne dass die Übertragung aus wirtschaftlichen oder sonstigen beachtlichen Gründen nachvollziehbar ist (ständige Senatsrechtsprechung).*)
2. Der Verdacht eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten kann sich geradezu aufdrängen, wenn ein nicht selbständig bebaubarer und auch wirtschaftlich kaum selbständig verwertbarer Grundstücksteil - hier ein überwiegend aus der Teilfläche eines Fischteichs bestehendes Grundstück - in zeitlicher Nähe zu einer Beitragserhebung von einem (bebauten) Anliegergrundstück abgetrennt und (unentgeltlich) an nahe Angehörige übertragen wird.*)
VolltextIMRRS 2022, 1249
BGH, Urteil vom 01.06.2022 - VIII ZR 287/20
1. Bei Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen gebietet das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV eine Erläuterung der Zusammensetzung der Bezugspreise des Fernwärmeversorgungsunternehmens, also insbesondere der diesen zugrundeliegenden vertraglichen und preislichen Bestimmungen oder auch die namentliche Bezeichnung des Bezugslieferanten, nicht. Diese Gesichtspunkte können allerdings für die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit von gegenüber den Endkunden verwendeten Preisänderungsklauseln nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV von Bedeutung sein.*)
2. Anders als eine Preisänderungsklausel zum Grund- oder Bereitstellungspreis, mit dem die langfristigen Investitions- und Vorhaltekosten des Versorgers abgegolten werden, die sich grundsätzlich unabhängig von den Verhältnissen am Wärmemarkt entwickeln, muss eine Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis, mit dem die vom Kunden abgenommene Wärmemenge vergütet wird, nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zwingend auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 6. April 2022 - VIII ZR 295/20, juris Rn. 29 f.).*)
3. Die in Energieversorgungsstreitigkeiten entwickelte sogenannte Dreijahreslösung des Senats vermeidet die bei einer Gesamtnichtigkeit des Versorgungsvertrags für den Kunden eintretenden nachteiligen Folgen einer bereicherungsrechtlichen (Rück-)Abwicklung, indem sie entsprechend den auch nach der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Zielsetzungen von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL 93/13/EWG darauf angelegt ist, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Heranziehung und Gewichtung ihrer Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und auf diese Weise ein Gleichgewicht der Rechte und Pflichten tatsächlich wiederherzustellen (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 33 ff., und VIII ZR 52/12, juris Rn. 31 ff.; vom 6. April 2016 - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 23, 38).*)
VolltextIMRRS 2022, 0881
BGH, Urteil vom 06.05.2022 - V ZR 50/21
Ein Notwegrecht kann sich weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis noch aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB, sondern nur unter den Voraussetzungen von § 917 Abs. 1 BGB ergeben; danach richtet sich auch, ob der Nachbar Hindernisse beseitigen muss, die er auf seinem Grundstück errichtet hat, um die Nutzung des Wegs zu unterbinden.*)
VolltextIMRRS 2022, 0883
BGH, Urteil vom 06.05.2022 - V ZR 282/20
Wird der Käufer bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten, kommt es für seine Kenntnis vom Mangel i.S.v. § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an; solange er die Genehmigungserklärung nicht in den Verkehr gebracht hat, muss er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen.*)
VolltextIMRRS 2022, 0877
OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2022 - 22 U 125/15
Zur Auslegung des Begriffs der „bauliche Anlagen“ in einem notariellen Grundstückskaufvertrag.
VolltextIMRRS 2022, 0874
OVG Saarland, Beschluss vom 08.06.2022 - 1 B 30/22
1. Von einem Verzicht auf die Erhebung von Beiträgen kann regelmäßig nur dann die Rede sein, wenn die Verzichtserklärung eindeutig ist. Dabei sind aufgrund der im Grundsatz unabdingbaren gesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden zur Beitragserhebung an die Annahme eines Verzichtswillens hohe Anforderungen zu stellen.*)
2. § 135 Abs. 5 Satz 1 und 2 BauGB schließt den Einwand unzulässiger Rechtsausübung auf Festsetzungsebene als spezialgesetzliche Regelung für die Fallgruppe eines widersprüchlichen Verhaltens der Gemeinde im Vorfeld einer Erschließungsbeitragserhebung aus. Die Frage des treuwidrigen Verhaltens der Gemeinde ist in diesen Fällen erst auf der nachgelagerten Ebene des Beitragserlasses nach Maßgabe des § 135 Abs. 5 BauGB zu prüfen, berührt aber die Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheids nicht.*)
3. Das Berufen einer Gemeinde als Beitragsgläubigerin auf die Nichtigkeit einer Ablösungsvereinbarung kann sich als treuwidrig darstellen, wenn daraus für den Beitragsschuldner untragbare, seine Existenz berührende Folgen erwüchsen.*)
VolltextIMRRS 2022, 0816
BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 7/21
Die Darlegungs- und Beweislast für die einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ausschließende Einwilligung des Eigentümers in die Einwirkung auf sein Eigentum trägt der Anspruchsgegner.*)
VolltextIMRRS 2022, 0803
BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 231/20
1. Eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung einer (gebrauchten) mangelhaften Kaufsache nach den Grundsätzen eines Abzugs "neu für alt" scheidet aus, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpft, dass die Kaufsache durch den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfährt oder dass der Käufer durch die längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspart.*)
2. Für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB gilt das Gleiche, und zwar auch dann, wenn die Nachbesserung wegen des arglistigen Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden muss (hier: Kosten für die Erneuerung einer mangelhaften Kellerabdichtung).*)
VolltextIMRRS 2022, 0760
OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.05.2022 - 5 U 97/21
1. Ein durch Abgrabungen des Nachbarn zur Errichtung einer Grenzwand geschädigter Grundstückseigentümer, der als Schadensersatz zunächst die Wiederherstellung in Natur begehrt hatte, kann sein Interesse an der Wiederherstellung in Form von Geldersatz nur nach erfolgloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung geltend machen.*)
2. Sein diesbezügliches Anliegen erweist sich aber als treuwidrig, solange er daneben zugleich, auch im Rahmen eines anderen Klageverfahrens, weiterhin auf Beseitigung der Mauer anträgt.*)
VolltextIMRRS 2022, 0752
BGH, Beschluss vom 24.03.2022 - V ZB 60/21
Ob eine Leistung nur einmal oder mehrfach und damit "wiederkehrend" i.S.d. § 1105 Abs. 1 BGB erbracht werden soll, bestimmt sich alleine danach, ob die Leistungspflicht als wiederkehrende Verpflichtung ausgestaltet ist. Ist dies zu bejahen, hat die Reallast einen zulässigen Inhalt. Wie wahrscheinlich es ist, dass die Pflicht mehrfach entsteht, ist unerheblich.*)
VolltextIMRRS 2022, 0751
BGH, Beschluss vom 28.04.2022 - V ZB 4/21
1. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch einen Minderjährigen führt gemäß § 566 BGB zu dessen Eintritt in den Mietvertrag auf Vermieterseite und ist deshalb für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB (Fortführung von Senat, Beschluss vom 03.02.2005 - V ZB 44/04, IBRRS 2005, 4965 = BGHZ 162, 137).*)
2. Dies gilt auch, wenn der Veräußerer den Miteigentumsanteil zuvor von dem Alleineigentümer des Grundstücks erworben hat, denn bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch den bisherigen Alleineigentümer tritt der Erwerber gem. § 566 BGB ebenfalls neben diesem in den Vertrag auf Vermieterseite ein.*)
VolltextIMRRS 2022, 0687
BGH, Urteil vom 28.01.2022 - V ZR 99/21
1. Ein quasinegatorischer Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch, der auf die Verletzung einer nachbarschützenden Norm des öffentlichen Rechts als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB gestützt wird, ist ausgeschlossen, wenn und soweit die Grundstücksnutzung öffentlich-rechtlich bestandskräftig genehmigt wurde, die Genehmigung nach wie vor wirksam ist und die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der nachbarschützenden Norm, auf die sich der Kläger stützt, Teil des vorgeschriebenen Prüfprogramms im (vereinfachten) Genehmigungsverfahren war (Bestätigung von Senat, Urteil vom 21.01.2022 - V ZR 76/20, IBRRS 2022, 1335).*)
2. Die Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung hat keinen Einfluss auf das Bestehen von Ansprüchen aus § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 906 BGB (Bestätigung von Senat, IBR 1993, 314).*)
3. Es ist grundsätzlich zulässig, einen Hauptantrag durch Teilurteil abzuweisen und die Entscheidung über den Hilfsantrag zurückzustellen. Weiter erforderlich ist aber, dass auch im Übrigen die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Teilurteil ergehen kann; insbesondere muss die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen sein (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13, Rz. 14, IBRRS 2014, 1135 = VPRRS 2014, 0283, WM 2014, 1409; teilweise Aufgabe von Senat, Urteil vom 12.05.1995 - V ZR 34/94, IBRRS 1995, 0678 = NJW 1995, 2361).*)
VolltextIMRRS 2022, 0685
OLG Schleswig, Beschluss vom 16.05.2022 - 2 Wx 40/21
1. Die Bescheinigung der Vertretungsberechtigung durch einen deutschen Notar reicht als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt jedenfalls dann gem. § 21 BNotO aus, wenn der Notar Einsicht in ein ausländisches funktionsäquivalentes Register genommen hat, das seiner rechtlichen Bedeutung nach dem deutschen Handelsregister entspricht.*)
2. Eine Vertretungsbescheinigung durch einen ausländischen Notar reicht – auch wenn § 21 BNotO nicht direkt anwendbar ist – ebenfalls als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt aus, wenn für Gesellschaften öffentliche Register existieren, die in ihrer rechtlichen Bedeutung dem deutschen Handelsregister entsprechen und wenn die Bescheinigung den für eine solche Bescheinigung geltenden Bestimmungen des ausländischen Rechts entspricht. Das gilt für Notare aus dem Bereich des lateinischen Notariats, das geprägt ist durch das Verständnis der Notarin oder des Notars als Träger eines öffentlichen Amtes im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege.*)
3. Die Vertretungsbescheinigung eines niederländischen Notars nach Einsicht in das Register der niederländischen Handelskammer ist ein tauglicher Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, weil es sich bei dem niederländischen Register um ein funktionsäquivalentes Register handelt und niederländische Notare solche des lateinischen Notariats sind.*)
VolltextIMRRS 2022, 0656
VerfGH Bayern, Beschluss vom 26.04.2022 - Vf. 5-VII-19
1. Die in Art. 24 Abs. 4 GO geregelte Möglichkeit, gemeindliche Wasserversorgungsunternehmen in Satzungen über den Anschluss- und Benutzungszwang zum Einsatz und Betrieb elektronischer Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul zu berechtigen, und die Regelung in Art. 94 Abs. 4 GO, wonach die Gemeinde abhängig vom Umfang ihrer Beteiligung an Wasserversorgungsunternehmen in Privatrechtsform für die entsprechende Anwendung des Widerspruchsrechts Sorge zu tragen hat oder darauf hinwirken soll, sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.*)
2. Soweit in den Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 106 Abs. 3 BV) überhaupt eingegriffen wird, verfolgt Art. 24 Abs. 4 GO einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck und ist zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.*)
3. Der durch Art. 24 Abs. 4 GO mit der Ermöglichung des Einsatzes elektronischer Wasserzähler bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100, 101 BV) dient hochrangigen Schutzgütern, insbesondere dem Schutz der Trinkwasserhygiene und damit von Leib und Leben der an das Leitungsnetz angeschlossenen Bevölkerung, und ist angesichts der engen Zweckbestimmung für die Datenspeicherung und -verarbeitung in der Vorschrift selbst und der Geltung der Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung im Übrigen nicht unverhältnismäßig.*)
4. Eine Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 100, 101 BV), das vor Einwirkungen schützt, welche die menschliche Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinn beeinträchtigen, liegt nicht vor. Es ist nicht festzustellen, dass von elektronischen Funkwasserzählern relevante Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf das psychische Wohlbefinden ausgehen, die vom Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst sind.*)
VolltextIMRRS 2022, 0630
LG Schwerin, Urteil vom 18.02.2022 - 3 O 30/21
1. Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, auch wenn sie in einzelnen Punkten bereits konkret werden, begründet noch keine Bindung. Dies gilt in besonderem Maße für Verträge, die - wie hier der Grundstückskaufvertrag - formpflichtig sind.
2. Bei formbedürftigen Verträgen besteht zur Vermeidung eines auch nur mittelbaren Abschlusszwangs ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis deshalb nur, wenn ein schwerer, in der Regel vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflichten zum redlichen Verhalten vorliegt.
3. Die Möglichkeit des Verkaufs an einen Dritten, der bereit ist, das gesamte Grundstück - und nicht nur einen Teil - zu erwerben, ist ein hinreichend sachlicher Grund, sich für diesen Käufer und gegen den ursprünglichen Käufer zu entscheiden.
VolltextIMRRS 2022, 0620
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2022 - 2 S 762/22
1. Nach § 24 i.V.m. § 16 Satz 1 KAG sind Anschluss- und Erschließungsbeiträge bei Grundstücken, die im Eigentum des Beitragsberechtigten (hier der Gemeinde) stehen, in der Höhe, wie sie bei einem Dritten entstehen würden, intern zu verrechnen, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen die Beitragsschuld bei einem Dritten entstehen würde. Die (sachliche) Beitragsschuld für solche Grundstücke gilt nach § 24 i.V.m. § 16 Satz 2 KAG in dem Zeitpunkt als entstanden (und zugleich als erloschen), in dem sie bei einem Dritten entstehen würde. Nach diesem Zeitpunkt kann die Beitragsschuld nicht nochmals zur Entstehung gelangen und damit auch nicht mehr nach § 26 KAG abgelöst werden.*)
2. Der Beitragsberechtigte kann ein Grundstück ab diesem Zeitpunkt als "erschlossen" zu einem entsprechenden Kaufpreis veräußern, ohne den Anteil der Erschließungskosten am Kaufpreis offenlegen zu müssen.*)
3. Weist der Beitragsberechtigte im Grundstückskaufvertrag dennoch einen bestimmten Betrag als Erschließungskosten aus, so kann dies nicht als (verdeckte) Ablösungsvereinbarung i.S.d. § 26 KAG verstanden werden; vielmehr hat die Ausweisung der Erschließungskosten in diesem Fall nur informatorischen Charakter.*)
VolltextIMRRS 2022, 0623
BGH, Beschluss vom 14.01.2022 - V ZR 255/20
1. Der die Abtretung eines Grundschuldrückgewähranspruchs betreffende formularmäßige Zustimmungsvorbehalt der Bank ist auch dann wirksam, wenn die Grundschuldsicherheit von dem Grundstückseigentümer gegeben wurde (Fortführung von Senat, Urteil vom 09.02.1990 - V ZR 200/88, IBRRS 1990, 0441 = BGHZ 110, 241).*)
2. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt benachteiligt den Sicherungsgeber entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch dann nicht unangemessen, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Anspruch auf Zustimmung vorsehen.*)
3. Der Sicherungsgeber hat jedenfalls dann einen Anspruch auf Zustimmung, wenn ein schützenswertes Interesse der Bank an deren Verweigerung nicht besteht oder seine berechtigten Belange an der Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs überwiegen.*)
VolltextIMRRS 2022, 1248
BGH, Urteil vom 06.04.2022 - VIII ZR 295/20
1. In Fernwärmelieferungsverträgen ist die Verwendung des Erzeugerpreisindexes gewerblicher Produkte sowie des Indexes für Tarifverdienste der im Wirtschaftszweig der Energieversorgung tätigen Arbeitnehmer (jeweils herausgegeben vom Statistischen Bundesamt) bei Anpassungsklauseln für den Bereitstellungsbeziehungsweise Grundpreis grundsätzlich mit den Vorgaben des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV vereinbar (Bestätigung und Weiterentwicklung von Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 339/10, NJW 2011, 3222 Rn. 31).*)
2. Die Rechtsfolgenbestimmung des § 306 BGB ist auch auf Allgemeine Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV anwendbar.*)
3. Nach Maßgabe des § 306 Abs. 1 BGB führt die Unwirksamkeit einer nur eine Preiskomponente (hier: den Arbeitspreis) betreffenden Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB nicht zugleich zur Unwirksamkeit andere Preiskomponenten (hier: den Bereitstellungspreis) betreffender Anpassungsklauseln, wenn es sich - wie im Regelfall - um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln handelt, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind.*)
4. Zum einseitigen Anpassungsrecht eines Fernwärmeversorgers bei unwirksamen Preisänderungsklauseln (Bestätigung des Senatsurteils vom 26. Januar 2022 - VIII ZR 175/19, juris Rn. 30 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).*)
VolltextIMRRS 2022, 0551
KG, Beschluss vom 05.04.2022 - 1 W 349/21
Der Grundstückseigentümer hat nach der Löschung von Zwangseintragungen grundsätzlich keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblatts.*)
VolltextIMRRS 2022, 0540
EuGH, Urteil vom 10.03.2022 - Rs. C-177/20
(ohne amtliche Leitsätze)
VolltextIMRRS 2022, 0538
OLG München, Urteil vom 02.03.2022 - 7 U 7015/20
(ohne amtliche Leitsätze)
VolltextIMRRS 2022, 0525
OLG Schleswig, Urteil vom 01.04.2022 - 1 U 71/21
1. Der Eigentümer eines Grundstücks, das an keiner Stelle eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hat, kann von einem Nachbarn die Einräumung eines Notwegerechts verlangen, das auch ein Fahrrecht mit Kraftfahrzeugen umfasst. In diesem Fall dürfen auch Kraftfahrzeuge auf dem gefangenen Grundstück abgestellt werden.*)
2. Bei der Entscheidung, von welchem Nachbarn der Eigentümer des gefangenen Grundstücks die Einräumung eines Notwegerechts verlangen kann, kommt es nicht in erster Linie auf die Entfernung zu einem öffentlichen Weg an.*)
VolltextIMRRS 2022, 1702
BGH, Urteil vom 21.01.2022 - V ZR 76/20
1. Die mit einer bestandskräftigen Baugenehmigung verbundene umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem einschlägigen öffentlichen Recht (Legalisierungswirkung) schließt einen auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts gestützten Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB aus.*)
2. Die Verletzung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart (Gebietserhaltungsanspruch) kann einen (quasinegatorischen) verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i. V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründen. Dieser Anspruch ist streng akzessorisch zum öffentlichen Recht; er kommt daher nicht in Betracht, wenn und soweit die Grundstücksnutzung von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist.*)
VolltextIMRRS 2022, 0499
KG, Beschluss vom 01.03.2022 - 1 W 471/21
1. Verpflichtet sich ein im gesetzlichen Güterstand lebender Ehegatte im Rahmen der Veräußerung eines sein wesentliches Vermögen bildendes Wohnungserbbaurechts bei der Finanzierung des Kaufpreises durch den Käufer zu Lasten des Kaufgegenstandes mitzuwirken, kann die Zustimmung des anderen Ehegatten zu dem Vertrag auch die von dem Erwerber unter Ausnutzung einer Belastungsvollmacht im Namen des Veräußerers erklärte Bewilligung der Eintragung einer Grundschuld erfassen.*)
2. Der - aktuelle - Bestand der Ehe muss dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen werden, wenn sich die Eheschließung aus einer dem Grundbuchverfahren genügenden - älteren - Eheurkunde ergibt und nicht ersichtlich ist, dass der veräußernde Ehegatte mit einer anderen als der dort aufgeführten, die Zustimmung erklärenden Person verheiratet sein könnte.*)
VolltextIMRRS 2022, 0498
KG, Urteil vom 24.03.2022 - 1 W 2/22
Bewilligt der Erwerber eines Grundstücks bzw. Wohnungseigentums in Vollmacht des Veräußerers die Eintragung einer Grundschuld und wird die dort benannte Gläubigerin in der Folgezeit auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen, kann die Bewilligung dahin ausgelegt werden, dass der aufnehmende Rechtsträger als Gläubiger der Grundschuld im Grundbuch einzutragen ist (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. März 2021 – 3 W 233/20 – juris; Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. August 2020 – I-3 Wx 125/20 – ZIP 2020, 1915 = FGPrax 2021, 7 = MittBayNot 2021, 153).*)
VolltextIMRRS 2022, 0497
BGH, Beschluss vom 17.02.2022 - V ZB 14/21
1. Einem Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO steht nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung eine dem § 2077 Abs. 1 BGB entsprechende Scheidungsklausel enthält, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind.*)
2. Das gilt auch, wenn die Scheidungsklausel abweichend von § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsieht, dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll, wenn der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt hat.*)
VolltextIMRRS 2022, 0474
KG, Urteil vom 23.11.2021 - 9 U 1093/20
1. Grundstück im straßenreinigungsrechtlichen Sinne ist das Buchgrundstück.*)
2. Auch der Teil eines Anliegergrundstückes, der als Privatstraße des öffentlichen Verkehrs genutzt wird, ist gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinG-BE als für die Berechnung der Straßenreinigungsgebühr maßgebliche Grundstücksfläche heranzuziehen.*)
3. Die gem. § 7 StrReinG-BE erhobene Straßenreinigungsgebühr ist ein Benutzungsentgelt für die Nutzung der öffentlichen Einrichtung "Straßenreinigung" und stellt nicht die Gegenleistung für die Reinigung des Straßenabschnitts vor dem jeweiligen Grundstück dar (Anschluss VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.06.2003 - 161/00).*)
4. Es stellt keine gegen das Gleichheitsgebot verstoßende, willkürliche Doppelbelastung dar, wenn Eigentümer einer Privatstraße des öffentlichen Verkehrs sowohl zur Reinigung ihrer Privatstraße als auch zur Zahlung eines Entgelts für die Reinigung einer angrenzenden öffentlichen Straße verpflichtet sind.*)
5. Es bedarf zur Vermeidung einer gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden, willkürlichen Doppelbelastung keiner korrigierenden Auslegung von Vorschriften des StrReinG-BE, da der Berliner Gesetzgeber mit der Regelung des § 5 Abs. 3 StrReinG-BE einen Ausgleich für außergewöhnliche Härten geschaffen hat, die sich etwa aus der "sehr formalen Regelung" über die Anlieger- und Hinterliegereigenschaft in § 5 Abs. 1 und 2 StrReinG_BE ergeben könnten.*)
6. Das beklagte Land kann sich als Gebührenschuldner nicht auf eine unzumutbare Härte i.S.d. § 5 Abs. 3 StrReinG-BE berufen, da die durch Befreiungen nach dieser Vorschrift entstehenden Einnahmeausfälle der Berliner Stadtreinigungsbetriebe ohnehin vom beklagten Land getragen werden (Anschluss VG Berlin, Urteil vom 23.11.2005 - 1 A 216.02).*)
VolltextIMRRS 2022, 0434
OLG Dresden, Urteil vom 01.03.2022 - 4 U 580/12
1. Die Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück stellt eine wesentliche Veränderung der Sachlage dar, die die Kündigung einer zwischen den vorherigen Teilhabern geschlossenen Verwaltungsvereinbarung rechtfertigen kann.*)
2. Die Zustimmung zur Übertragung der Hausverwaltung auf einen Dritten kann Gegenstand einer eine solche Vereinbarung ersetzenden gerichtlichen Bestimmung sein.*)
3. Ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung ist dann erfüllt, wenn den Erklärungen des Pflichtigen zumindest konkludent entnommen werden kann, dass er eine von ihm erteilte Auskunft als vollständig ansieht. Der Verdacht, dass die Auskunft unrichtig oder unvollständig ist, steht dem nicht entgegen.*)
4. Der Erwerber eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem bebauten Grundstück kann von dem anderen Teil eine Entschädigung an die Eigentümergemeinschaft für dessen unentgeltliche Wohnnutzung verlangen, wenn er selbst eine Wohnnutzung nicht beabsichtigt.*)
5. Die Höhe dieses Anspruchs ist nach billigem Ermessen zu bestimmen; Vergleichsmaßstab für die gerichtliche Schätzung ist die ortsübliche und angemessenen Miete für eine vergleichbare Wohnung.*)
VolltextIMRRS 2022, 0426
BGH, Beschluss vom 10.02.2022 - V ZB 87/20
1. Nach dem Tod des Gesellschafters einer im Grundbuch als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragenen GbR stellt die Buchposition des Gesellschafters keine gesondert vererbliche Rechtsposition dar; die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung vollzieht sich insgesamt nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags.*)
2. Soll eine auf dem Grundstück einer GbR lastende Grundschuld nach dem Tod eines Gesellschafters mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers und der verbliebenen Gesellschafter gelöscht werden, ohne zuvor das Grundbuch zu berichtigen, muss die Zustimmungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nachgewiesen werden (Abgrenzung zu Senat, Beschluss vom 13.07.2017 - V ZB 136/16, IBRRS 2017, 3526 = NJW 2017, 3715 Rn. 16 a.E.)*)
3. Der Nachweis der Zustimmungsbefugnis ist jedenfalls dann erbracht, wenn sich aus der in der Form des § 29 GBO eingereichten Zustimmungserklärung des Testamentsvollstreckers und der übrigen Gesellschafter ergibt, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt und besondere gesellschaftsvertragliche Abreden für den Todesfall nicht getroffen worden sind, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben bestehen; eidesstattlicher Versicherungen bedarf es nicht. *)
VolltextIMRRS 2022, 0417
OLG Schleswig, Urteil vom 22.03.2022 - 7 U 75/21
1. Die Verjährung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs aus einer Grunddienstbarkeit (hier Bebauungsverbot) führt hier dazu, dass die Dienstbarkeit nach § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB insgesamt erlischt.*)
2. Für den Umfang des Erlöschens eines eingetragenen Bauverbots nach § 1028 BGB ist nicht auf die vorhandene Bebauung abzustellen, sondern auf Art und Umfang der eingetragenen Grunddienstbarkeit.*)
3. Bei einem zugunsten des herrschenden Grundstücks eingetragenen Bebauungsverbot für das Nachbargrundstück kann aus § 1028 Abs. 1 Satz 2, Hs.2 BGB (..."soweit" die Bestandsanlage mit der Dienstbarkeit im Widerspruch steht) nicht gefolgert werden, das Erlöschen sei lediglich auf die Dimensionen des Bestandsbaus beschränkt. Bei einem eingetragenen Bauverbot gibt es nämlich (im Unterschied z.B. zu einem Wasserbezugsrecht oder Wegerecht) keinen abgrenzbaren Teil der eingetragenen Grunddienstbarkeit, der im Hinblick auf die Bebauung bei einer solchen Grunddienstbarkeit nicht zur Geltung kommen könnte.*)
4. Wenn die Grundakte fehlt und für Auslegungszwecke nicht (mehr) zur Verfügung steht, kann der Zweck einer im Jahr 1889 eingetragenen Grunddienstbarkeit (hier Bebauungsverbot) nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden. Dies geht zu Lasten desjenigen, der sich auf einen bestimmten Zweck beruft (hier "Sicherung des freien Blicks nach Osten").*)
5. Das Beschwerderecht zur Wiederherstellung von zerstörten oder abhanden gekommenen Urkunden kann gegenüber dem Grundbuchamt nach § 14 Satz 2 GBWiederhV nur mit dem Ziel geltend gemacht werden, einen Widerspruch gegen den Inhalt des Grundbuchs einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen.*)
VolltextIMRRS 2022, 0415
OLG Zweibrücken, Urteil vom 26.01.2022 - 1 U 209/20
1. Derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.
2. Der Betreiber eines Ladengeschäftes hat dafür Sorge zu tragen, dass die Kunden keinen Gefahren ausgesetzt sind, denen sie bei Anwendung zumutbarer eigener Vorsicht nicht zuverlässig begegnen können.
3. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich namentlich auch darauf, dass die Laufflächen der dem Publikumsverkehr gewidmeten Räume - im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen - während der Geschäftszeiten frei von Gefahren gehalten werden. Das betrifft im Grundsatz auch die zum Ladengeschäft gehörenden Parkflächen für Kundenfahrzeuge, ebenso die Wege zwischen Parkplatz und Ladengeschäft.
4. Plötzliche Niveauunterschiede des Bodenbelags bzw. Abbruchkanten im Bodenbelag von 2 bis 3 cm sind hinzunehmen. Insoweit handelt es sich zwar nicht um eine starre und unverrückbare Grenze, sondern vielmehr um eine Richtgröße, die im Einzelfall anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen ist.
5. Einerseits kann eine Haftung bereits bei geringeren Höhenunterschieden in Betracht kommen, etwa bei Stolperstellen in Fußgängerzonen mit entsprechender Ablenkungswirkung für den Fußgängerverkehr. Andererseits kann auch bei größeren Höhendifferenzen die Annahme des Haftungsgrundes zu verneinen sein, namentlich bei einem Wechsel des Bodenbelags insbesondere an den Schnittstellen zwischen Innen- und Außenbereichen.
VolltextIMRRS 2022, 0399
LG Köln, Urteil vom 06.12.2021 - 7 O 26/21
1. Anzeige- und Aufklärungspflichten können sich auch aus nachvertraglichen Treuepflichten ergeben.
2. Der Verkäufer ist verpflichtet, den Käufer über den erhöhten Frischwasserverbrauch als Folge eines Rohrbruchs, der sich im späteren Verlauf in erhöhten Abwassergebühren niedergeschlagen hat, aufzuklären.
IMRRS 2022, 0381
BGH, Urteil vom 17.02.2022 - III ZR 46/20
1. Hat das Berufungsgericht im gerichtlichen Verfahren in Baulandsachen einen Umlegungsbeschluss als rechtswidrig aufgehoben, können dagegen sowohl die betroffene Gemeinde als auch deren Umlegungsausschuss Revision einlegen (Fortführung von Senat, Urteile vom 13.12.1990 - III ZR 240/89, IBRRS 1990, 0414 = BGHZ 113, 139, und vom 10.03.2005 - III ZR 224/04, IBRRS 2005, 1319).*)
2. Zur Prüfung der materiellen Voraussetzungen einer Baulandumlegung im unbeplanten Innenbereich (insbesondere: Fortsetzung des Bebauungszusammenhangs durch Baulücke, maßstabsbildende Wirkung der Umgebungsbebauung).*)
VolltextIMRRS 2022, 0367
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.09.2021 - 5 W 49/21
Bei der Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines bedingten Rückübertragungsanspruchs können die nach § 47 Abs. 1 GBO geforderten Angaben durch einen Hinweis auf die entsprechende Geltung des § 472 BGB ersetzt werden.*)
VolltextIMRRS 2022, 0366
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 03.03.2022 - 3 W 104/21
ohne amtlichen Leitsatz
VolltextIMRRS 2022, 0355
BGH, Urteil vom 26.01.2022 - VIII ZR 175/19
1. Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen ist gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVB-FernwärmeV i.V.m. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV berechtigt und - soweit das Kundeninteresse dies erfordert - verpflichtet, eine von ihm gegenüber Endkunden verwendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksam gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht (Fortentwicklung der Senatsurteile vom 25.06.2014 - VIII ZR 344/13, Rz. 32 ff., IMRRS 2014, 1738 = BGHZ 201, 363, und vom 19.07.2017 - VIII ZR 268/15, Rz. 57, IMRRS 2017, 1780 = NJW-RR 2017, 1200.*)
2. Dagegen ist ein Fernwärmeversorgungsunternehmen nicht berechtigt, wirksam vereinbarte Preise einseitig nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern. *)
VolltextIMRRS 2022, 0345
BGH, Urteil vom 23.02.2022 - VIII ZR 305/20
Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer - wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen - den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.*)
VolltextIMRRS 2022, 0177
OLG Frankfurt, Urteil vom 08.12.2021 - 12 U 110/21
1. Da § 2314 BGB nicht zwingend die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreibt, ist dieser Bestimmung Genüge getan, wenn eine ortsgerichtliche Schätzung eingeholt wird.
2. Der nach § 2314 BGB bestehende Anspruch umfasst keinen Anspruch auf Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
3. Die Sachwertmethode ist eine der gängigen Methoden der Verkehrswertermittlung und wird angewandt, wenn - wie bei einem eigengenutzten Einfamilienhaus - die Herstellungskosten und nicht - wie bei einem Mietshaus - Renditeüberlegungen im Vordergrund stehen.
VolltextIMRRS 2021, 0181
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2020 - 3 Wx 196/20
Führt die Auslegung der Eintragungsbewilligung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (hier mit dem Inhalt des Rechts, auf dem Grundstück eine Gasleistung nebst Zubehör zu betreiben, zu unterhalten, ggfs. bedarfsgerecht zu erneuern und dauernd zu belassen, verbunden mit der eingeräumten Berechtigung, zum Zweck des Baus, des Betriebs und der Unterhaltung der Leitung das Grundstück jederzeit zu betreten) dazu, dass eine örtliche Beschränkung der Ausübung rechtsgeschäftlich nicht vereinbart ist, sondern der tatsächlichen Ausübung durch den Berechtigten überlassen sein soll, bedarf es keiner den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügenden Festlegung der örtlichen Lage der Leitung in der Eintragungsbewilligung.*)
VolltextIMRRS 2020, 1438
OLG Hamburg, Urteil vom 20.11.2020 - 6 U 106/14
Wenn auch eine Baulast nicht die Rechtswirkung einer Grunddienstbarkeit hat, so kann aus ihr im Einzelfall ein Zufahrts- und Leitungsrecht begründet werden.
VolltextIMRRS 2022, 0217
OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2021 - 11 U 114/20
Wird ein abzutrennendes Grundstück ohne eigenen Zugang zu einer öffentlichen Straße veräußert, kann es zu den Pflichten des den Kaufvertrag beurkundenden Notars gehören, die Beteiligten über die Möglichkeit der Vereinbarung eines Wegerechts und dessen Absicherung durch eine Grunddienstbarkeit zu belehren. Der Minderwert eines Grundstücks, der daraus resultiert, dass die dingliche Sicherung eines - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründeten - Wegerechts unterbleibt, kann ein vom Notar zu ersetzender Schaden sein. Die Haftung eines Notars für den Schaden ist aufgrund einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit derzeit ausgeschlossen, wenn der geschädigte Käufer aufgrund einer anwaltlichen Pflichtverletzung einen Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen seinen Prozessbevollmächtigten hat.*)
VolltextIMRRS 2022, 0220
BGH, Urteil vom 19.11.2021 - V ZR 104/20
Weist die Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer grundsätzlich selbst dann berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises insgesamt zu verweigern, wenn es sich um einen geringfügigen Mangel handelt (Bestätigung von Senat, IBR 2020, 318).*)
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