Immobilien- und Mietrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
691 Entscheidungen insgesamt
Online seit heute
IMRRS 2024, 0881LG Berlin II, Urteil vom 25.06.2024 - 67 O 30/24
Ein Rechtsanwalt, der vom Grundstückeigentümer mit der Prüfung des von einem Notar im Auftrag eines Kaufinteressenten erstellten und übersandten Grundstückkaufvertragsentwurfs beauftragt ist, handelt pflichtwidrig, wenn er Entwurfsänderungen unmittelbar an den Notar übermittelt, ohne seinen Mandanten zuvor für den Fall des späteren Scheiterns der Vertragsverhandlungen über die sich aus § 29 Nr. 1 GNotKG ergebenden Kostenrisiken und Möglichkeiten zur Kostenvermeidung aufgeklärt zu haben.*)
VolltextOnline seit 4. Juli
IMRRS 2024, 0874BGH, Beschluss vom 17.04.2024 - XII ZB 454/23
Werden einem Rechtsanwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung vorgelegt, hat er den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen eigenverantwortlich zu prüfen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17.05.2023 - XII ZB 533/22, IBRRS 2023, 1834 = IMRRS 2023, 0843).*)
VolltextOnline seit 2. Juli
IMRRS 2024, 0853BGH, Beschluss vom 05.06.2024 - IV ZB 30/23
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert gewesen ist, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Der Partei ist ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen.
2. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden, wenn nach den seitens der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Fristversäumnis von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet gewesen ist.
3. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb laufender Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Zu diesem Zweck hat der Rechtsanwalt seine Ausgangskontrolle so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet.
4. Im Rahmen der gestuften Ausgangskontrolle hat der Rechtsanwalt anzuordnen, dass die Erledigung von Sachen, bei denen eine Frist zu wahren ist, am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. Diese nochmalige, selbständige und abschließende Ausgangskontrolle muss gewährleisten, dass geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob insoweit eine Übereinstimmung mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen besteht.
VolltextOnline seit 18. Juni
IMRRS 2024, 0791OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.05.2024 - 1 LZ 102/21
1. Die Begründung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss geeignet sein, ein Organisationsverschulden als Ursache der Fristversäumung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen.*)
2. Zu den Aufgaben eines Prozessbevollmächtigten gehört insbesondere die Einrichtung einer wirksamen Ausgangskontrolle.*)
3. Auf ein Organisationsverschulden kommt es dann nicht an, wenn auf andere Weise glaubhaft gemacht wird, dass der Schriftsatz tatsächlich bei der Post aufgegeben wurde.*)
4. Das Abweichen von einer üblichen Vorgehensweise (hier: Aufgabe zur Post statt der Übermittlung per beA) bedarf der Glaubhaftmachung der diese Abweichung rechtfertigenden Gründe.*)
VolltextOnline seit 17. Juni
IMRRS 2024, 0785BGH, Beschluss vom 17.04.2024 - AnwZ (Brfg) 8/24
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.
VolltextOnline seit 14. Juni
IMRRS 2024, 0782BGH, Beschluss vom 07.05.2024 - VI ZB 22/23
Zu den nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO bestehenden Anforderungen an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments.*)
VolltextOnline seit 11. Juni
IMRRS 2024, 0755BGH, Beschluss vom 23.01.2024 - VI ZB 16/22
1. Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht.*)
2. Für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsmittelschrift sind nur die Erkenntnisquellen für das Berufungsgericht maßgeblich, die ihm zum Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist vorliegen. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll.*)
VolltextOnline seit 7. Juni
IMRRS 2024, 0756BFH, Urteil vom 16.01.2024 - VII R 34/22
Vor dem 01.08.2022 bestand für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Bevollmächtigte keine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gem. § 52d Satz 1 oder 2 FGO, und zwar auch dann nicht, wenn sie durch einen Rechtsanwalt als Vertreter i.S. des § 62 Abs. 2 Satz 3 FGO handelte.*)
VolltextOnline seit 3. Juni
IMRRS 2024, 0730EuGH, Urteil vom 30.05.2024 - Rs. C-400/22
1. Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2011/83/EU ist dahin auszulegen, dass im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.*)
2. Wenn der Unternehmer seine Informationspflicht nicht beachtet hat, ist der Verbraucher an die Bestellung nicht gebunden. Den Verbraucher hindert allerdings nichts daran, seine Bestellung zu bestätigen.
VolltextOnline seit 31. Mai
IMRRS 2024, 0727BGH, Urteil vom 18.04.2024 - IX ZR 89/23
Vermittelt ein Dritter einem Rechtsanwalt den Auftrag eines Mandanten zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung und lässt er sich für die Leistung bezahlen, ist die dem zu Grunde liegende Vereinbarung unwirksam.*)
VolltextOnline seit 22. Mai
IMRRS 2024, 0699BFH, Beschluss vom 22.04.2024 - III B 82/23
1. Die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung wegen eines in der Privatsphäre liegenden Vorhabens setzt die Darlegung und (gegebenenfalls) die Glaubhaftmachung von Umständen voraus, wonach das Vorhaben in seiner Planung bereits vor Zugang der Ladung so ausgestaltet war, dass die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist.*)
2. Ein vor Zugang der Ladung gefasster Entschluss zu einem Kurzurlaub "ins Blaue" ist kein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten.*)
VolltextOnline seit 10. Mai
IMRRS 2024, 0637OLG Bamberg, Beschluss vom 02.04.2024 - 1 W 12/24
Werden Dokumente, etwa Gerichtsakten, zur digitalen Bearbeitung eingescannt, begründet dies keinen Anspruch auf Erstattung einer Dokumentenpauschale. Eingescannte Dokumente sind keine Kopien i.S.d. Auslagentatbestands Nr. 7000 VV RVG.
VolltextOnline seit 8. Mai
IMRRS 2024, 0641OLG München, Beschluss vom 17.04.2024 - 7 U 242/24
1. Ein elektronisch übermitteltes, einfach signiertes Dokument erfüllt die für bestimmende Schriftsätze erforderliche Form, wenn es auf einem sicheren Übermittlungswege übermittelt wurde und die Authentizität einfach signierter Dokumente dadurch gewährleistet wird, dass die das Dokument verantwortende Person selbst das Dokument an die Justiz übermittelt hat.
2. Enthält der dem Schriftsatz zugehörige Prüfvermerk den Vermerk „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“, ist davon auszugehen, dass die Versendung des einfach signierten elektronischen Dokuments von dem entsprechenden Anwalt als Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs selbst vorgenommen wurde.
Online seit 6. Mai
IMRRS 2024, 0627BGH, Beschluss vom 07.03.2024 - AnwZ (Brfg) 39/23
1. Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, kann die Gefährdung im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden.
2. Von einem Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden.
3. Das Vorbringen, Mandate mit Fremdgeldbezug würden "so gut wie gar nicht" bearbeitet und die seltenen Fremdgeldmandate würden nur unter Ablehnung der Annahme von Fremdgeldern geführt, begründet keinen Ausnahmefall.
VolltextIMRRS 2024, 0628
BGH, Beschluss vom 06.03.2024 - XII ZB 408/23
Zum Verschulden eines Rechtsanwalts, der ein vermeintlich verfrüht eingelegtes Rechtsmittel wieder zurücknimmt und dadurch die Rechtsmittelfrist versäumt.*)
VolltextOnline seit 25. April
IMRRS 2024, 0566BGH, Beschluss vom 13.03.2024 - AnwZ (Brfg) 43/23
Die Zulassung eines GmbH-Geschäftsführers als Syndikusanwalt ist ausgeschlossen, wenn seine fachliche Unabhängigkeit nicht im Gesellschaftsvertrag verankert ist.
VolltextOnline seit 24. April
IMRRS 2024, 0557BGH, Beschluss vom 14.03.2024 - V ZB 2/23
Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - XII ZB 88/23, IBRRS 2024, 0706 = BeckRS 2024, 2621).*)
Online seit 16. April
IMRRS 2024, 0525OLG Dresden, Beschluss vom 04.03.2024 - 4 U 1980/23
1. Zur gebotenen Ausgangskontrolle, die sicherstellen soll, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingeht, gehört insbesondere ein Abgleich mit dem Fristenkalender und die Prüfung der Eingangsbestätigung des Gerichts.*)
2. Sieht der Rechtsanwalt davon ab, diese Aufgaben seinem Büropersonal zu übertragen, hat er selbst hierfür Sorge zu tragen.*)
3. Mit einem Wiedereinsetzungsantrag, in dem lediglich glaubhaft gemacht wird, infolge des Umstandes, dass die Versendung eines Schriftsatz einen „alltäglichen Routinevorgang“ darstelle, an den infolgedessen „keine unmittelbare Erinnerung" mehr besteht, genügt der Rechtsanwalt seiner Darlegungslast nicht.*)
VolltextOnline seit 15. April
IMRRS 2024, 0523OLG Hamburg, Beschluss vom 06.04.2024 - 4 W 32/24
Vertritt ein Rechtsanwalt im streitigen Verfahren erster Instanz nur einen Auftraggeber und erst in der nachfolgenden Berufungsinstanz mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr für die erste Instanz nach Nr. 3100 RVG-VV nicht, weil die Vertretung in der ersten Instanz und die Vertretung im Berufungsverfahren nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. Nr. 1008 RVG-VV sind.*)
VolltextOnline seit 12. April
IMRRS 2024, 0507OLG Celle, Urteil vom 08.04.2024 - 6 U 28/23
Auch ein elektronisches Dokument eines Einzelanwalts muss bei Übermittlung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eine einfache Signatur durch Wiedergabe des Namens am Ende des Textes enthalten.*)
VolltextOnline seit 11. April
IMRRS 2024, 0504OLG Hamburg, Beschluss vom 04.03.2024 - 4 W 20/24
Beziehen sich Erörterungen der im Termin allein anwesenden Partei mit dem Gericht ausschließlich auf eine Nebenforderung - nämlich den Anspruch auf Verzugszinsen, konkret den Beginn der Verzinsungspflicht - und nimmt die Klagepartei auf einen erst im Termin erfolgenden Hinweis des Gerichts hin die Klage hinsichtlich der Nebenforderung teilweise zurück, ist es geboten, von dem Grundsatz abzuweichen, dass im Säumnistermin eine volle 1,2-Terminsgebühr auf den vollen Gegenstandswert entsteht.*)
VolltextOnline seit 10. April
IMRRS 2024, 0493BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 85/22
Zu den Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze - hier: Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA; im Anschluss an BGH, IBR 2021, 498 = IMR 2021, 426; BGH, IBRRS 2022, 1977 = IMR 2022, 375; BGH, IBR 2023, 377 = IMRRS 2023, 0597; jeweils m.w.N.).*)
VolltextOnline seit März
IMRRS 2024, 0424BGH, Beschluss vom 28.02.2024 - IX ZB 30/23
Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.*)
VolltextIMRRS 2024, 0372
OLG Dresden, Beschluss vom 15.02.2024 - 4 W 80/24
1. Eine mit dem Ziel der Streitwertheraufsetzung durch einen Rechtsanwalt eingelegte Streitwertbeschwerde gilt regelmäßig als in dessen Namen eingelegt.*)
2. Ist eine über das beA eingegangene Streitwertbeschwerde weder mit der qualifizierten elektronischen Signatur noch mit einer einfachen Signatur versehen, weil die Unterschriftenzeile nicht mitübermittelt wurde, liegt eine wirksame elektronische Einreichung nicht vor.*)
VolltextIMRRS 2024, 0369
BGH, Beschluss vom 06.02.2024 - II ZB 23/22
Gemäß § 2 Abs. 1 PartGG i.d.F. vom 10.08.2021, in Kraft getreten am 01.01.2024, muss der Name der Partnerschaft nur noch den Zusatz "und Partner" oder "Partnerschaft" enthalten. Die Aufnahme des Namens mindestens eines Partners ist nicht mehr erforderlich.*)
VolltextIMRRS 2024, 0345
OLG Hamm, Urteil vom 22.02.2024 - 22 U 29/23
1. Sendet ein Rechtsanwalt über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an einen anderen Rechtsanwalt ein Schreiben, ist dieses dem Empfänger zugegangen, wenn das Dokument auf dem Server für den Empfänger abrufbereit während seiner üblichen oder etwaig darüber hinaus nach außen bekannt gegebenen Büroöffnungszeiten eingeht. Unerheblich für den Zugangszeitpunkt ist, wann die Benachrichtigungs-E-Mail über den Eingang beim empfangenden Rechtsanwalt auf seinem E-Mail-Server eingegangen ist.*)
2. Tritt bei einem notariellen Grundstückskaufvertrag für einen Vertragspartner ein vollmachtlos handelnder Vertreter auf und fordert der andere Teil den Vertretenen gem. § 177 Abs. 2 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auf, dann ist die Genehmigung dem Auffordernden nicht dadurch zugegangen, dass sie beim beurkundenden Notar eingegangen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Notar auch für diesen Fall zur Entgegennahme bevollmächtigt ist (vorliegend verneint).*)
VolltextIMRRS 2024, 0314
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2024 - 3 B 69/23
Im auf Familiennachzug gerichteten Visumverfahren wird ein auswärtiger Rechtsanwalt gem. § 166 Abs. 1 VwGO, § 121 Abs. 3 ZPO zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet, wenn ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung mittels Bild- und Tonübertragung nach § 102a VwGO zumutbar ist. Das ist jedenfalls erfüllt, wenn der Sachverhalt geklärt ist und es in erster Linie um Rechtsfragen geht.*)
VolltextIMRRS 2024, 0311
OLG Dresden, Urteil vom 12.12.2023 - 4 U 867/23
1. Der Verjährungsbeginn gegen einen anwaltlichen Berater beginnt erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mandant aus den ihm bekannten Umständen den Schluss auf einen Schadensersatzanspruch zieht oder hätte ziehen können.*)
2. Hat der Mandant sich für die Durchführung des Berufungsverfahrens entschieden, ist die verspätete Begründung auch dann ein anwaltlicher Fehler, wenn der Mandant eine zugesagte Zuarbeit verspätet erbringt.*)
3. Die Feststellung eines Parteivorbringen als unstreitig in den Entscheidungsgründen eines Urteils ist für das Berufungsverfahren zu Grunde zu legen, wenn ein Berichtigungsantrag nicht gestellt wurde.*)
VolltextOnline seit Februar
IMRRS 2024, 0296LG München I, Beschluss vom 06.11.2023 - 1 S 12945/23 WEG
1. Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich nicht nur auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist, die mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu laufen beginnt und deren Ablauf daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits feststeht.
2. Der Rechtsanwalt kann sich zwar von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuverlässige und sorgfältig überwachte Bürokräfte entlasten. Hiervon ist die Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache zu unterscheiden. Diesen hat der Rechtsanwalt eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird.
VolltextIMRRS 2024, 0291
BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - XII ZB 88/23
1. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 01.03.2023 - XII ZB 228/22, IBRRS 2023, 0997 = FamRZ 2023, 879, und vom 21.09.2022 - XII ZB 264/22, IMR 2023, 83 = FamRZ 2022, 1957).*)
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unzureichender Glaubhaftmachung einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit gem. § 130d Satz 2 und 3 ZPO.*)
IMRRS 2024, 0288
OLG Bamberg, Beschluss vom 18.01.2024 - 2 WF 177/23
1. Einseitige Gespräche nur einer Partei mit dem Gericht stellen keine Besprechung i.S.v. Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV-RVG dar. Erforderlich ist vielmehr stets die Beteiligung von zumindest zwei am Verfahren Beteiligten mit dem Ziel, im Rahmen der Besprechung eine Erledigung des Verfahrens herbeizuführen.*)
2. Ein Telefongespräch zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten einer Partei und dem zuständigen Richter kann daher mangels Einbeziehung der Gegenseite keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV-RVG auslösen.*)
VolltextIMRRS 2024, 0285
OLG Hamm, Beschluss vom 15.01.2024 - 22 U 13/23
1. Die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen an die Überprüfung des ordnungsgemäßen Zugangs fristgebundener Schriftsätze bei Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordern eine präzise Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals durch den Rechtsanwalt. Diese hat sich darauf zu beziehen, wo und wie die automatische digitale Eingangsbestätigung i.S.v. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO in der beA-Webanwendung zu finden ist und welcher Inhalt den ordnungsgemäßen Eingang der elektronischen Nachricht bei Gericht anzeigt.*)
2. Die erfolgreiche Übermittlung der elektronischen Nachricht an das Gericht über das beA wird in der Webanwendung des Systems durch den Meldetext "Request executed", dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus "Erfolgreich" angezeigt (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 30.03.2023 - III ZB 13/22, Rz. 10, IBRRS 2023, 1275 = IMRRS 2023, 0569).*)
3. Verwendet die versendende Anwaltskanzlei eine Software, die über eine Schnittstelle zur Webanwendung des beA verfügt, kann ein von der Software eigens generiertes Dokument mit der Bezeichnung "Zustellbestätigung" nur dann ein taugliches Ersatzdokument der automatischen Eingangsbestätigung i.S.v. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO und somit positiver Zustellnachweis sein, wenn es dieselben relevanten Prüfungsmerkmale wie der originäre Nachweis in der Webanwendung des beA aufweist. Die erforderliche anwaltliche Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals muss sich in diesem Fall auch auf die Identifizierung dieser Merkmale in dem Ersatzdokument beziehen.*)
VolltextIMRRS 2024, 0277
OLG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2024 - 4 W 21/24
1. Eine Zusatzgebühr für „besonders umfangreiche Beweisaufnahmen“ nach VV RVG Nr. 1010 setzt voraus, dass in mindestens drei gerichtlichen Terminen Sachverständige oder Zeugen vernommen wurden. Findet nur in zwei gerichtlichen Terminen eine Beweisaufnahme statt, entsteht keine Zusatzgebühr.
2. Die Gebührenvorschrift des VV RVG Nr. 1010 ist auch nicht auf andere Fälle einer umfangreichen Beweisaufnahme entsprechend anwendbar.
VolltextIMRRS 2024, 0276
OLG Jena, Urteil vom 26.01.2024 - 9 U 364/18
1. Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts bei Wegfall der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.*)
2. Einheitlichkeit des Streitgegenstands einer Schadensersatzklage wegen anwaltlicher Beratungspflichtverletzung in Bezug auf die Einleitung und Fortführung eines aussichtslosen bzw. aussichtslos gewordenen Rechtsstreits.*)
3. Der Annahme der Aussichtlosigkeit der Rechtsverfolgung steht es hier nicht entgegen, dass sich der Bundesgerichtshof in einschlägigen Urteilen in Parallelverfahren nicht ausdrücklich mit der Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit dem Unionsrecht auseinandergesetzt hat.*)
4. Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung rechtfertigt die Fortführung eines nach der einschlägigen Rechtsprechung der Fachgerichte aussichtslosen Rechtsstreits grundsätzlich nicht.*)
5. An der der anwaltlichen Beratung zugrunde zu legenden fehlenden Erfolgsaussicht der weiteren Rechtsverfolgung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in Parallelverfahren befürwortet haben.*)
6. Die aktuelle einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung hat ein auf das betroffene Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt, der mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren mandatiert ist, im besonderen Maße zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen. Er ist gehalten, sich über die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs über die fortlaufende Rechtsprechung zu informieren.*)
7. Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Rechtsanwalt, der für die von ihm vertretenen Anleger massenhaft Güteanträge zur Hemmung der Verjährung gestellt hatte und bundesweit Klageverfahren betrieb, musste die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Güteanträgen im besonderen Maße verfolgen. Dass im Jahr 2015 zahlreiche Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig waren, bei denen (auch) die Hemmungswirkung von Güteanträgen gegenständlich war, musste einem auf diesem Feld tätigen Rechtsanwalt bekannt sein, so dass er die höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten und zeitnah zur Kenntnis zu nehmen hatte. Dieser Zeitpunkt ist zum 30.09.2015 eingetreten.*)
8. Mit einem Inzidentantrag nach § 717 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. ZPO können Rechtshängigkeitszinsen gem. § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. ZPO nur dann verlangt werden, wenn zugleich ein Vollstreckungsschaden i.S.d. § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO geltend gemacht wird.*)
VolltextIMRRS 2024, 0241
AGH Bayern, Urteil vom 16.11.2023 - III-4-6/23
1. Einem Rechtsanwalt kann die Befugnis, die Bezeichnung als Fachanwalt zu führen, entzogen werden, wenn er die gem. § 15 FAO vorgeschriebenen Fortbildungen nicht wahrnimmt.
2. Hinsichtlich der Entscheidung, ob ein Widerruf auszusprechen ist, wenn ein Rechtsanwalt eine vorgeschriebene Fortbildung nicht absolviert hat und keine besonderen Gründe vorliegen, die einen Verstoß gegen die Fortbildungspflicht entschuldigen, ist regelmäßig von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.
VolltextIMRRS 2024, 0239
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.12.2023 - 9 U 141/23
Eine über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichte Berufungsschrift, die weder einfach noch qualifiziert elektronisch signiert wurde, ist als unzulässig zu verwerfen.
VolltextIMRRS 2024, 0208
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2023 - 22 U 140/23
1. Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übertragungsweg eingereicht werden. Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.
2. Die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Ist die Unterschrift nicht lesbar oder wird als einfache Signatur lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe verwendet, kann sie diese Funktion nicht erfüllen.
3. Die einfache Signatur Rechtsanwalt mit dem Zusatz Dysfunktionen lässt keinen Rückschluss darauf zu, welcher Rechtsanwalt oder welche Rechtsanwältin die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Es kann nicht überprüft werden, ob die Person, die den Schriftsatz einfach signiert hat, mit der Person identisch ist, die den Schriftsatz auf dem sicheren Übermittlungsweg eingereicht hat.
4. Auch wenn auf dem Briefkopf nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist, steht damit nicht fest, dass er den Schriftsatz gefertigt und die Verantwortung dafür übernommen hat. Denn ein nach außen hin als Einzelanwalt auftretender Rechtsanwalt kann weitere Rechtsanwälte beschäftigen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Fertigung der Berufungsschrift beauftragt haben (Anschluss an BGH, IBR 2023, 106, und OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2021 - 17 W 13/21, IBRRS 2021, 3572 = IMRRS 2021, 1340; entgegen BAG, IBR 2023, 46).
VolltextIMRRS 2024, 0207
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2023 - 22 U 140/23
1. Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übertragungsweg eingereicht werden. Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.
2. Die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Ist die Unterschrift nicht lesbar oder wird als einfache Signatur lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe verwendet, kann sie diese Funktion nicht erfüllen.
3. Die einfache Signatur Rechtsanwalt mit dem Zusatz Dysfunktionen lässt keinen Rückschluss darauf zu, welcher Rechtsanwalt oder welche Rechtsanwältin die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Es kann nicht überprüft werden, ob die Person, die den Schriftsatz einfach signiert hat, mit der Person identisch ist, die den Schriftsatz auf dem sicheren Übermittlungsweg eingereicht hat.
4. Auch wenn auf dem Briefkopf nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist, steht damit nicht fest, dass er den Schriftsatz gefertigt und die Verantwortung dafür übernommen hat. Denn ein nach außen hin als Einzelanwalt auftretender Rechtsanwalt kann weitere Rechtsanwälte beschäftigen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Fertigung der Berufungsschrift beauftragt haben (Anschluss an BGH, IBR 2023, 106, und OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2021 - 17 W 13/21, IBRRS 2021, 3572 = IMRRS 2021, 1340; entgegen BAG, IBR 2023, 46).
VolltextIMRRS 2024, 0177
BGH, Beschluss vom 10.01.2024 - IV ZR 29/23
Ein Prozessbevollmächtigter, der erkennt, eine Rechtsmittelbegründungsfrist nicht einhalten zu können, muss durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht notwendig wird, soweit die Fristverlängerung rechtlich zulässig und ein Vertrauen auf deren Bewilligung begründet ist.
VolltextOnline seit Januar
IMRRS 2024, 0122OLG Bremen, Beschluss vom 11.01.2024 - 1 W 30/23
1. Bei der Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG handelt es sich um eine Auffangregelung, die auch für Tätigkeiten eines nicht beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts im Rahmen eines Einzelauftrags in Bezug auf ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anfallen kann.*)
2. Für Tätigkeiten wie die Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde und der Bitte des Anwalts der Gegenseite, zunächst noch keinen Prozessbevollmächtigten beim Bundesgerichtshof zu bestellen, fällt für den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens keine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG für Einzeltätigkeiten im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens an, da diese Tätigkeiten noch zum Berufungsverfahren zählen und als durch die dort anfallende Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG abgegolten gelten.*)
VolltextIMRRS 2024, 0121
OLG Bamberg, Urteil vom 15.06.2023 - 12 U 89/22
1. Bei der Beurteilung, ob eine vertragliche Regelung dem Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt, ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischen Vertragspartners bei Verträgen der geregelten Art abzustellen. Auch weitergehende Kenntnisse und Verständnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners ändern grundsätzlich nichts an der Verletzung des Transparenzgebots und der Unwirksamkeit der Klausel.
2. Ist eine Vertragsklausel (hier: eine Zeitvergütungsvereinbarung) für den typischen Kunden intransparent, für den konkreten Vertragspartner (hier: einen vormals als Rechtsanwalt in einer Großkanzlei tätigen Juristen) aber verständlich, ist dies jedoch bei der Inhaltskontrolle eines Verbrauchervertrags im Individualprozess gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB als Begleitumstand zu berücksichtigen und kann die Unwirksamkeit der Klausel nicht mehr aus einer Verletzung des Transparenzgebots hergeleitet werden.
3. Bei einem Anwaltshonorar, das die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es unangemessen hoch ist. Diese Vermutung führt dazu, dass der Anwalt darlegen und beweisen muss, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat angemessen ist.
4. Zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung eines unangemessen hohen Honorars, das die gesetzlichen Gebühren um das 9,32-fache übersteigt, wegen der besonderen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der ganz besonderen persönlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Partei (hier: Wiedererlangung der Betreuung für ein Familienmitglied), der intensiven Mitwirkung der Partei an den Schriftsätzen des Anwalts und des besonderen Zeitaufwands für die Bearbeitung des Mandats.
5. Eine Mitteilung der Vergütungsberechnung in der Vergütungsklageschrift oder einem anderen Prozessschriftsatz genügt für die Beachtung des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG. Der Umstand, dass die Berechnung sachlich unzutreffend ist, nimmt der Berechnung nicht ihre Wirkung.
VolltextIMRRS 2024, 0074
LG München I, Urteil vom 11.10.2023 - 15 O 7223/23
ohne amtlichen Leitsatz
VolltextIMRRS 2024, 0083
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.12.2023 - 1 S 1173/23
Es stellt ein Verschulden i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO dar, die für das Erstellen des fristgebundenen Schriftsatzes notwendige Synchronisation zwischen dem lokalen PC des Anwalts und einem Arbeitssystem auf einem Server in einem weit entfernten Rechenzentrum erst fünf Minuten vor dem Ende der Rechtsmittelbegründungsfrist durchzuführen. Diese Synchronisation ist auf Leitungen außerhalb der Kanzlei und die Übermittlung über Internetverbindungen angewiesen. Daher müssen bei pflichtgemäßem Handeln ausreichende Zeitreserven für diese Synchronisation eingeplant werden.*)
VolltextIMRRS 2024, 0072
OLG Dresden, Beschluss vom 24.08.2023 - 4 U 444/23
Wird nicht dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und erst später mit der Prozessführung beauftragt war, kommt der Ansatz einer Geschäftsgebühr für eine vorprozessuale Zahlungsaufforderung nicht in Betracht.*)
VolltextIMRRS 2024, 0064
BGH, Beschluss vom 30.11.2023 - III ZB 4/23
Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO genügt es, wenn am Ende des Schriftsatzes der Name des Verfassers maschinenschriftlich wiedergegeben ist (Anschluss an BGH, IBR 2023, 106 = IMR 2023, 36; BAG, IBR 2021, 56; BSG, Beschluss vom 16.02.2022 - B 5 R 198/21 B, IBRRS 2022, 1059 = IMRRS 2022, 0401).*)
VolltextIMRRS 2024, 0047
BGH, Urteil vom 13.11.2023 - NotZ(Brfg) 7/22
Die Altersgrenze für Notare war auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt am 31.10.2021 mit deutschem Verfassungsrecht und Unionsrecht, insbesondere mit Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000, vereinbar (Bestätigung von BGH, Urteil vom 21.08.2023 – NotZ(Brfg) 4/22, IBRRS 2023, 2378 = IMRRS 2023, 1076).*)
VolltextOnline seit 2023
IMRRS 2023, 1641OLG Hamm, Beschluss vom 01.12.2023 - 1 AGH 128/21
1. Ein Ablehnungsgesuch ohne Begründung ist unzulässig, da die Ablehnung dann stattfindet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
2. Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen. Fehlt es an der Benennung des Ablehnungsgrundes, kann nicht geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Richterablehnung vorliegen oder nicht.
VolltextIMRRS 2023, 1604
BGH, Beschluss vom 20.10.2023 - AnwZ (Brfg) 27/23
1. Gegen ein Endurteil des Anwaltsgerichtshofs ist die Berufung nur statthaft, wenn sie vom Anwaltsgerichtshof oder vom Bundesgerichtshof zugelassen wird.
2. Hat der Anwaltsgerichtshof in seinem Urteil die Berufung nicht zugelassen, ist gegen diese Entscheidung lediglich der Antrag auf Zulassung der Berufung statthaft.
3. Eine Auslegung eines als Berufung bezeichneten Rechtsmittels als Zulassungsantrag ist nicht möglich, wenn das erhobene Rechtsmittel - trotz ordnungsgemäßer Belehrung - ausdrücklich als Berufung bezeichnet wird und keine Anhaltspunkte für eine etwa bestehende Absicht des Klägers bestehen, die Zulassung der Berufung zu beantragen.
4. Die Umdeutung eines als Berufung bezeichneten des Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der Berufung ist nur möglich, wenn der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung noch innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt oder innerhalb dieser Frist beantragt hat, das unstatthafte Rechtsmittel als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln.
VolltextIMRRS 2023, 1660
BGH, Beschluss vom 22.05.2023 - VIa ZB 22/22
Beauftragt der Hauptbevollmächtigte einer Partei gegen ein Honorar einen Terminsvertreter, um den Anfall von abrechenbaren Kosten in einer das Honorar übersteigenden Höhe zu vermeiden, stellt das vereinbarte Honorar die Gegenleistung allein für die Wahrnehmung des Termins im eigenen Gebühreninteresse des Hauptbevollmächtigten dar und kann der Partei nicht als Aufwendung des Hauptbevollmächtigten in Rechnung gestellt werden (Anschluss an BGH, Beschluss vom 09.05.2023 - VIII ZB 53/21, IBRRS 2023, 1699 = IMRRS 2023, 0780).*)
VolltextIMRRS 2023, 1602
BGH, Beschluss vom 20.10.2023 - AnwZ (Brfg) 28/23
Reicht ein Rechtsanwalt für den Erwerb eines Fachanwaltstitels eine Reihe ähnlicher Fällen ein, müssen diese jedenfalls dann nicht voll angerechnet werden, wenn sie sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden.
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